Samstag, 10. Oktober 2015

neu: BWK_1968 ff._1


Mit Rationalisierungen gegen steigende Kosten:



Die BWK in den 1970_er und 1980_er Jahren



Das Vierteljahrhundert zwischen dem Ende der 1960-er und dem Beginn der 1990-er Jahre hat mit vier Rezessionen die Bremer Woll-Kämmerei vor schwierige Herausforderungen gestellt. In dieser Zeit musste die AG nicht nur ihre Wettbewerbsposition gegenüber ihren europäischen Konkurrenten sichern und stärken, die Aufwertungen der DM im Vergleich zu anderen Währungen ausgleichen und die ständige Volatilität des Wollmarktes managen. Hinzu kamen die reduzierten Ausgaben für Wolltextilien, da die Konsumenten im Zuge der Ölpreisschocks mehr Geld für Energie ausgeben mussten. Diese Nachteile konnten auch durch die höheren Rohstoffkosten bei der Produktion von Chemiefasern, also der immer stärker auf den Markt drängenden Gruppe neuer Textilfasern, nicht kompensiert werden.

Trotz dieser Belastungen hatte die BWK in dieser Zeit auch goldene Jahre erlebt, die zu hohen Aktienkursen und einer vorher und später nicht mehr erreichten Marktkapitalisierung führten. So erreichte das Unternehmen etwa 1989 mit einem Jahreshöchstkurs von 378 DM einen Börsenwert von einer Viertelmillion DM oder ca. 113 Mio. €. Erfolgsfaktor für diese Entwicklung waren hohe Rationalisierungsinvestitionen vor allem in neue ebenerdige Produktions- und Lagerhallen sowie weitgehend automatisch arbeitende Anlagen und Maschinen. 



Das Ende der 1960_er Jahre: Eine Rezession mit Folgen



Im Anschluss an die Aufbaujahre nach dem Zweiten Weltkrieg hat das deutsche Wirtschaftswunder Ende der 1960-er Jahre einige rezessive Kratzer bekommen. Dabei errechneten die Wirtschaftsforscher für die erste Rezession der Bundesrepublik im 1967 nur ein zahlenmäßig geringes Minus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP), also der Summe aller Waren uund Dienstleistungen, von 0,3 Prozent. Das lag jedoch im negativen Bereich und deutlich unter den Wachstumsraten der 1950-er und ersten 1960-er Jahre, die sogar 1965 noch bei 5,4 % gelegen hatten, einem Wert, den sie auch 1968 wieder erreichten.

Dennoch hat die abgebremste Wirtschaftsentwicklung in der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Man erwartete die aus der Vergangenheit bekannten Zuwächse von bis zu 12,1 % im Jahr 1955 oder zumindest von 5 -9 %, wie zu Beginn der 1960-er Jahre. Aber diese Zeit einer Wirtschaftsentwicklung, wie man sie heute etwa aus China kennt, hatte ein Ende gefunden, und niemand konnte mit Bestimmtheit sagen, was die Zukunft bringen würde. Die Zahl der Arbeitslosen stieg und die Investitionen gingen zurück. 1966 hatte die Teuerungsrate 3,6 Prozent erreicht. Die Arbeitslosenquote stieg von 0,7 Prozent 1966 auf 2,1 Prozent 1967.

Zunächst mussten sich die Politiker jedoch mit den üblichen Folgen eines fehlenden volkswirtschaftlichen Wachstums herumschlagen, also mit sinkenden Steuereinnahmen und steigender Arbeitslosigkeit, die mit höheren Sozialausgaben vor allem für die Arbeitslosen verbunden ist. Da der Einbruch unerwartet kam, entstand eine Differenz zwischen den niedrigeren Einnahmen und den geplanten höheren Ausgaben des Staates. Es stellte sich damit die Frage, wie die Finanzminister vom Bund und von den Ländern auf diese Haushaltenslücke reagieren sollten. Bei der Lösung dieses Problems wurden Unterschiede zwischen den Koalitionspartnern CDU/CSU und FDP sichtbar, was auch ein Grund für eine zerrüttete Beziehung zwischen den beiden langjährigen Partnern und die Bildung einer Großen Koalition im Jahr 1966 war.

Mit dem Ende des deutschen Wirtschaftswunders und den beginnenden Verteilungskämpfen um die geschmolzenen Staatseinnahmen waren gleichzeitig parteipolitische Änderungen verbunden, nachdem zunächst die Christdemokraten mit ihrer Konzentration auf die Westintegration und die soziale Marktwirtschaft die Regierungen auf der Bundesebene dominiert hatten.

Die zuvor jahrelang nicht mehr gekannten höheren Arbeitslosenzahlen hatten etwa für den Sozialwissenschaftler Pfahl-Traughbere deutliche Wirkungen im politischen System. Das galt zum einen für das 
Wahlverhalten, als die Wähler ab 1966 für den Einzug der NPD in die Landtage von Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Baden-Württemberg sorgten, wo die neue Partei Stimmenanteile zwischen 5,8 % und 9,8 % erzielte (Pfahl-Traughber, S. 15), Damit reagierten sie gleichzeitig auf die Große Koalition in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn, nachdem die vor allem in NRW mit seiner zyklischen Industrie ausgeprägte Rezession zunächst 1966 zu einem hohen Wahlsieg der SPD zulasten der CDU geführt hatte. Generell haben damit die Wähler auf die Rezession mit einem Stimmenzuwachs für die jeweilige Opposition reagiert, also zunächst die SPD und nach der Bildung der Großen Koalition die NPD. 

Wichtiger als die Verschiebungen um einige Prozentpunke waren jedoch die Auswirkungen auf die Regierungsbildung. Hier kam es auf Bundesebene zunächst zur Bildung einer Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, nachdem die alte Koalition an einem Streit über eine Frage gescheitert war, wie er in Rezessionszeiten typisch ist. CDU und CSU wollten das bestehende Haushaltsdefizit für 1967 und die wachsende Staatsverschuldung durch eine Steuererhöhung beseitigen, während die FDP für Ausgabenkürzungen eintrat. Da es zu keiner Einigung kam, trat im Oktober 1966 der kleinere Partner aus der Koalition aus.  

Anschließend kam es zur Bildung der Regierung Kiesinger aus CDU/CSU und SPD, die sich wirtschaftspolitisch mit dem Wirtschaftsminister Karl Schiller und dem Finanzminister Franz Josef Strauss am Keysianismus orientierte, der durch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz politisch umgesetzt wurde. 
  
Durch das veränderte Wählerverhalten vor allem im Ruhrgebiet kam es nach der Bildung der Großen Koalition zu einer Finanz- und Wirtschaftspolitik, die entsprechend den Modellen des britischen Ökonomen John Maynard Keynes durch eine staatliche Globalsteuerung die Pferde wieder zum Saufen bringen wollte, wie es der damalige Wirtschaftsminister Karl Schiller ausdrückte.

Grundlage seiner Politik war der Keynsianismus, wie er in der wegweisenden Analyse "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" aus dem Jahr 1936 dargestellt ist. Dabei setzt sich der Ökonom Keynes für eine aktive Rolle des Staates während einer Rezession ein, um die Wirtschaft anders als es die letzten deutschen Regierungen vor der Machtübernahme durch die NSDAP gemacht haben, durch sinnvolle Investitionsausgaben anzukurbeln. Damit handelte die Poltik praktisch entgegengesetzt zu der Sparpolitik des Zentrumspolitikers Heinrich Brüning, der seit 1930 durch Notverordnungen, die vom direkt gewählten Reichspräsidenten Paul von Hindenburg abgeseget wurden. Er erhob oder erhöhte neue Steuern wie die Ledigensteuer und die Einkommnsteuer und einge Verbrauchssteurn einersets und kürzte die Gehälter im öffentlichen Dienst um ein Viertel. Exitenziele Auswrkungen hatte dbei die Senkung der Arbeitslosenunrsützung u eine Krisenstützung. 

Durch diese prozyklische Wirtschaftspolitik, die auch während der Krise keine höhere Staatsverschuldung zulassen wollte und durch die Absenkung der Löhne und Gehälter den Inlandsverbrauch reduzieren wollte, um den Export zu steigern, scheiterte nicht zuletzt an einem ähnlichen Verhalten der anderen Länder, die sich damit gegenseitg stärker in die Krise manöverierten, weil sie diese Beggar-thy-Neighbor-Politik betrieben.
Um diesem Teuelskreis auszuweichen, setzten die Keynsianer der Großen Kolition auf eine antizyklische Politik, wobei sie das Deficit spending, also die durch Kredite finanzierten höheren Staatsausgben, durch die Bildung von Haushaltspolstern während späterer Aufschwungphasen wieder zurückführen wollten.

Die praktische Umsetzung dieses Modells erfolgte durch das Stabilitäts-und Wachstumsgesetz. Als Ziele der staatlichen Wirtschaftspolitik wurde dabei das Magische Viereck definiert, das als Ziele der staatlichen Wirtschaftspolitik geringe Arbeitslosigkeit, niedrige Inflation, eine ausgeglichene Exportbilanz und ein angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum definiert.


     Das "Magische Viereck" der ökonomischen Zielvorstellungen
                                               Quelle: wikipedia



Zur Anlyse einer konkreten Volkswirtschft müssen diese Ziele durch konkrete Zahlen operationalisiert werden. Dazu ist vor allem der Satz des Bundeskanzlers Helmut Schmidt bekannt geworden, für den gilt: "Lieber fünf Prozent Inflation, als fünf Prozent Arbeitslosigkeit!" Bei derartigen politischen Setzungen müssen die Intedependenzen zwischen den vier Zielvariablen berücksichtigt werden; denn es besteht z.B. ein empirischer Zusammenhang zwischen einer Nominallohn-Steigerungsrate und der Arbeitsosenquote. 

Auch die Bildung der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP unter Willy Brandt nach der Bundestagswahl 1969  kann man als eine Spätfolge der Rezession betrachten, da für einige Wähler die SPD erst regierungsfähig wurde, nachdem sie ihre Qualitäten zunächst in einer Koalition mit den langjährigen Regierungsparteien CDU und CSU unter Beweis gestellt hatte. Das zeigte sich in dem Wahlergebnis von 1969, als die SPD zwar nicht stärkste Fraktion im Bundestag wurde, jedoch noch vor der NPD mit 3,4 Prozentpunkten die größten Zugewinne verbuchen konnte. 

Langsamere und tiefere Wandungsprozesse der Bundesrepublik setzten jedoch im sozialen und kulturellen Bereich ein, die sich erst in ihrem vollen Ausmaß zeigten, als die damalige Studentengeneration in leitende politische Ämter kam und selbst eine neue Generation sozialisierte. Erste Vorboten hierfür waren allerdings bereits in der Studetenbewegung erkennbar, so in veränderten Einstellungen zum jeweils anderen Geschlecht und zur Sexualität sowie in der deutlichen Abgrenzung von der NS-Zeit, die man der Eltern- bzw. Vätergeneration anlastete. 

Zunächst reagierte die Mode am Anfang der 1970-er Jahre mit einem "knalligen Hippie-Look", für den "Fransen, Cowboy-Hemden mit Nieten, Schlaghosen, Krawatten so breit wie Servietten - und Hotpants, die gerade eben das Nötigste bedecken." Dabei standen nicht, wie zunächst nach dem Zweiten Weltkrieg, Kammzuganzüge hoch im Kurs. Vielmehr war die Mode "vor allem verdammt bunt, grell und vielseitig". 

Damit setzte sich die Generation, die die 1970-er Jahre prägte, mit ihrem Motto "Erlaubt ist, was gefällt" deutlich von den strengen Modediktaten in den 1950-er und 1960-er Jahren ab und erlaubte anstelle eines Einheitslooks die Geichzeitigkeit von Mini, Midi und Maxi. 

Mit der Kleidung gewann so das Lustprinzip, wie es die Hippies verkörperten, sozialen Einfluss. Dafür steht generell der Siegeszug der Jeans, der in weiten Kreisen gesellschaftsfähig wurde, und speziell bei den Männern  das Cord-Sakko über dem engen Rollkragenpullover, die "zur Uniform schlauer, aber betont lockerer Intellektueller" wurden.

Noch mehr war der Bedarf an Wolle und Kammzügen jedoch vom Siegeszug der Kunstfasern betroffen, die nicht mehr als einzige kaufbare Ersatzprodukte erworben wurden wie in der Kriegszeit, sondern ganz gewünscht nach dem Motto: "Cool in Kunstfasern".


Rezession und Aufschwung in der BWK-Bilanz 



Veränderte wirtschaftiche Rahmenbedingungen können, wie dieser Exkurs zur ersten deutschen Rezession der Nachkriegszeit erkennen lässt, die von den Zahlen her sehr überschaubar blieb, zu einem tiefgreifenden langfristigen politischen und sozialen Wandel führen. Der Rückgang des Bruttosozialprodukts um 0,3 %, scheint zu zwei Regierungswechseln und zum Erstarken einer radikalen rechten Partei beigetragen zu haben.

Von der Nachfrage der Konsumenten, die sowohl durch die geringeren zur Verfügung stehenden Einkommen als auch den eher negativen Zukunftserwartungen reduziert wurde, war auch der Absatz von Kammzügen und Wollbekleidung betroffen. Das galt für das tatsächliche Kaufverhalten der Endkonsumenten, die weniger Geld im Portemonnaie hatten und wegen einer ungewissen Zukunft eher sparten, wurd jedoch zusätzlich durch einen Abbau der Lagerhaltung des Handels und der Spinnereien, Webereien, Nähereien und der anderen Betriebe der Wollverarbeitung noch verstärkt.

Dieser Effekt trat im Vergleich etwa zum Steinkohlenbergbau und der Stahlindustrie, die damals in NRW noch eine gewichtige Rolle spielten, mit einer Verzögerung ein, sodass dort die Rezession mit ihrer Reaktion im Wahlverhalten bereits früher begann. Diese relativ späte Reakton zeigen die Bilanzkennzahlen der BWK für den Zeitraum 1964-69. (vgl. Tabelle)


       Ausgewählte Bilanzindikatoren der BWK im Zeitraum 1964 - 1969
Anmerkung: 1: Umsatzerlöse, 2: Gesamtleistung, 3: Materialaufwand, 4: Personalaufwand, 5: Abschreibungen, 6: Zinssaldo, 7: Ertragssteuern, 8: Jahresüberschuss, 9: Wollpreis, 10: Dividende und 11: Jahresschlusskurs der BWK
Quelle: Der Volkswirt, Nr. 21 vom 26.5.1967, S. 975 und vom 14.6.1968. 



Kurzfristig hat die Rezession die Bilanz und damit die zahlenmßig fassbare Situation der BWK nur wenig verändert, auch wenn zwischen 1966 und 1968 der Umsatz bzw. die Gesamtleistung und Material- und Personalaufwand gefallen sind. Dafür war trotz der weltweiten Rezession der Wollpreis nur bedingt verantwortlich. Seine Preiskorrektur nach unten war zumindest deutlich kleiner als die Einbußen beim Umsatz und bei den absolten Personalkosten. Es ist also zu einer Drosselung der Produktion gekommen, die sich unmittelbar auf die Löhne und Gehälter ausgewirkt hat. 


Bemerkenswert ist der gleichzeitige deutliche Anstieg des Börsenkurses, worin sich offensichtich eine vom Markt erwartete positive Zukunft des Unternehmens ausdrückt.

Betrachtet man hingegen einen längeren Zeitraum wie die Jahre zwischen 1964 und 1969, fallen vor allem die kräftig angestiegenen Abschreibungen und Fremdzinsen auf, die ebenso wie die Aktie um über die Hälfte gestiegen sind.

Das ist weitgehend eine Folge der erhöhten Rationalisierunginvestionen schwerpunktmäßig in den beiden letzen Jahren 1968 und 1969, nachdem auch im Krisenjahr die Investionsausgaben kaum gebremst wurden. Das führte zu einem Verhältnis der Eigenmittel zum Anlagevermögen von 62,9%, was in der Wirtschaftspresse damals als "wenig befriedigend" beurteilt wurde, da es zu einer Zinslast führte, die die Ertragslage stark belastete".  

Wenn vielleicht es auch im Gegensatz zu finanzwirtschaftlichen Richtwerten stehen mag, hat das Management die Erhoung positiv und damit richtig eingeschätzt, wie die Gewinne und Kurshöhen im Anscluss an das Krisenjahr 1967 belegen. Hier hat sich das Investionsrisko für das Unternehmen zunächst eindeutig ausgezahlt.


Für die Wirtschaftszetung "Der Volkswirt" musste daher die erfahrene Unternehmensleitung nach Jahren einer kontinuierlichen Aufwärtsentwicklung "die Druckwelle der Rezession" auffangen, die das Unternehmen erst 1967 erreichte. Dieser Time lag lässt sich auf das Geschäftsmodell zurückführen, das 1966 die Beschäftigung aufgrund der vertraglich vereinbarten Lohnaufträge noch gewährleistete. Das galt dann angesichts der unsicheren Gesamtsituation nicht mehr für 1967, sodass in diesem Jahr "die Anlagen .. auch nicht annähernd hinreichend ausgelastet waren."

Die BWK hatte damit vor allem 1967 mit der Auswirkungen der Rezession zu kämpfen, was sich im gesunkenen Umsatz niederschlug. Dabei muss neben der Menge der fallende Wollpreis als zweite Ursache berücksichtigt werden, denn der Wollpreis halbierte sich zwischen 1963-64 und 1970-71, um dann wieder auf fast das Dreifache im Jahr 1972-73 zu explodieren, wenn man die Daten über die Wolljahre heranzieht (Roll, S. 88)


Mit mehr Produktivität gegen deutsche Wettbewerbsnachteile



Für das Auftragsgeschäft der BWK hatte die Rezession nur relativ marginale Auswirkungen; denn 1966 verfügte das Unternehmen noch über ausreichend Aufträge und 1968 wurde bereits wieder mit einer Auslastung von 94 % die höchste Kapazitätsauslastung der Nachkriegszeit erreicht (Weser-Kurier vom 29.5.69) So konnte man nach einer kurzen Unterbrechung den begonnenen langfristigen Kurs im Investitionsbereich fortsetzen.

Nach den ersten Nachkriegsjahren, in denenen die Erhöhung der Produktion und damit auch eine Steigerung der deutchen Exporte im Vordergrund stand, um dank der Devisen Lebensmittel und Rohstoffe im Ausland kaufen zu können, wurde in den 1960-er Jahren die Rationalisierung und Effizienzsteigerung der Produktion zur zentralen Zielsetzung der Untnehmesnentwicklung. Diese Aufgabe ließ sich nicht durch die eine einzelne Großinvestition erreichen, sondern erforderte Jahr für Jahr hohe Investitionen, da es praktisch um einen Gesamtumbau der Gebäude und Anlagen nach dem Prinzip der Stückkostenreduktion ging, wobei möglichst neue und leistungsfähig Maschinen gemeinsam mit den Herstellern entwickelt und eingesetzt werden mussten.

In Zahlen ließ sich ein erster Erfolg dieser Maßnahmen auf der Hauptversammung 1972 sehr komprimiert ausdrücken: die BWK hatte in zehn Jahren ihre Produktion verdoppelt und die Belegschaft halbiert. Die Produktvität jedes Mitarbeiters hatte sich damit im Durchschnitt also vervierfacht. (Weser-Kurier vom 12.7.72)

Daraus ließ sich jedoch nicht, wie das Managemet immer wieder herausstellte, auf eine Ausrichtung des Untenehmens schließen, dass nur die Interessen der Eigentümer und nicht die der Mitarbetier im Auge hatte. Profiteur der guten finanziellen Erträgen waren jedenfalls nicht vorangig Aktionäre, die sich an der Vernichtung von Abeitsplätzen bereicherten.


Das ging aus den kritischen Anmerkungen zur deutschen Steuerpolitik hervor, die, wie es bei der BWK seit Jahren Tradition war, auch auf der Hauptversammlung 1974 zur Sprache kam. So hatte das Management einen Rückblick für das Jahrzehnt zwischen 1962 und 1972 erstellen lassen und war zu eindrucksvollen Ergebnissen gelangt. Danach hat sich in dieser Zeit zwar die Wertschöpfung des Unternehmen um 50 % erhöht, der Steueraufwand der Firma und ihrer Mitarbeiter jedoch um 100 %. Noch stärker waren die Sozialausgaben gewachsen, deren Anstieg in den letzten beiden Jahren 60 % der erzielten Steigerung der Wertschöpfung aufgefressen hatte. Die Produktivitätszuwäche konnten also wegen der immens gestiegenen Abgabenquote nur zu einem geringen Teil den Mitarbeitern zugute kommen. (Weser-Kurier vom 5.7.1974)

Damit war für das Unternehmen eine grassierende Kosteninflation vor allem bei den Bruttolöhnen verbunden, die sich in fünf Jahren mehr als verdoppelt hatten. Diese deutlich höheren Lohnkosten zwangen die BWK dazu, wenn sie gegenüber ihren Wettbewerbern in den europäischen Nachbarländern konkurenzfähig bleiben wollte, die Zahl der Arbeitsplätze und damit der Mitarbeiter in den betrachteten zehn Jahren von ca. 5.000 auf 1.200 abzubauen. Gleichzeitig betrugen die Investitionen in diesem Zeitraum 120 Mio. DM, die vor allem für Rationalisierungsmaßnahmen verwendet wurden (Weser-Kurier vom 18.10.75)


Dadurch benötigte die BWK ganz anders als während ihre Gründung und in den Nachkriegsjahren mehr Kapital als preiswerte Arbeitskräfte, an deren Stelle jetzt automatisierter Anlagen die Rohwolle wuschen, kardierten und kämmten. 

Dabei versuchte das Mangement zunächst bis in die 1960-er Jahre eine Bgnzung der Verschuldung, was dann allerdings nicht mehr gelang. Die Gewinnmargen waren nicht groß genug, um neben der üblicherweise hohen Dividendenrendite auch noch eine ausreichende Eigenfinanzierung der Investitionen durch die jährlichen Abschreibungen und einbehaltene n Gewinne zu ermöglichen. 

Eine Erhöhung des Eigenkapitals als Weg der Kapitalbeschaffung wurde in größerem Stil erst in den 1980-er Jahren versucht, als die Kurse höher gesteigen waren und damit eine günstige Finanzierung erlaubten. Es macht schließlich einen Unterschied, ob man für eine junge Aktie 85 DM oder über 300 DM erhält, da die ausgeschütteten Dividenden nicht zwangsläufig differieren müssen und daher das Unternehmen stärker oder schwächer belasten. 
  

Die containerisierte Logistik der BWK (1970)


Ein zentraler Aspekt des Geschäftsmodells der BWK war seit ihrer Gründung eine preiswerte Logistik. Diese Zieletzung hatte schließlich zur Wahl des Standortes an der schiffbaren Weser und an der Bahnlinie Farge-Vegesack geführt. Deshalb hatte
 man ein Logistikkonzept entwickelt, dass die unmitelba angrenzende Weser als wichtigen Standortvorteil nutzte. Die Rohwollballen konnten so direkt bei der BWK von Schiffen an eine werkseigenen Kaje gelöscht werden. Das erwies sich im Zuge der Rationalisierung der 1960-er Jahre jedoch nicht mehr als besonders kostengünstige Lösung, denn seit 1956 hatte der Container aufgrund seiner Kosteneffizienz einen Siegeszug angetreten.

Auch wenn der Fracht- oder Schiffscontainer, den der Reeder Malcolm McLean an der US-Ostküste einführte, zunächst abschätzig als „Schachtelschiff“ bezeichnet wurde, setzte er sich gegen einen starken Widerstand der Hafenarbeiter durch, die um ihre Arbeitsplätze fürchteten Daher bestellten die ersten europäischen Reeder sogar in den Rezessionsjahren 1966 und 1967 Containerschiffe mit bis zu 750 Containerstellplätzen. Die mögliche Senkung der Umschlagkosten war einfach zu verlockend, da ein einzelner Container nur noch einmal „angefasst“ und verladen werden musste. Das galt auch wegen der Verladung der Wolle in Container bereits in den Erzeugerländern sowie des steigenden Tiefgangs der Frachtschiffe, die im Falle Bremens nicht mehr ohne ein Umladen der Wollballen auf kleinere Einheiten an die Pier der BWK gelangen konnten. 


Löschen von Rohwolle an der Pier der BWK

     Quelle: Sir Charles, 44, S. 8

Die konkrete Umstellung erfolgte bei der BWK mit der Ankunft der "Melbourne Express" der HAPAG-LLYOD am 23 Dezember 1970 am Container Terminal in Bremerhaven. Seitdem wurden die Wollballen in Containern transportiert und gelangten per Lkw oder Eisenbahn von Bremerhaven oder Hamburg nach Blumenthal. 

Mit der veränderten Anieferung der Rohwolle war es natürlich nicht getan, da auch eine Anieferung der Rohwolle und ein Abtransport der Halb- ud Fertigwaren aus den mehrstöckigen Gebäude kaum mit Gabelstaplern möglich war. Vielmehr mussten die Mitarbeiter die Wolle mit ihrer Muskelkraft über längere Strecken transporiteren, was nicht nur physisch anstrengend, sondern auch zeitaufwendig und damit für das Unternehmen kostspielig war.  

Es wurden daher große, weiträume und vor allem ebenerdige Hallen benötigt, um die Wollballen dorthin mit Container-Lifts und Gabelstaplern die Wolle zur Lagung zu bringen oder in neue großen Prouktionshallen zu transportien, wo weitgehend automatisch arbeitende Maschinen zu installiert werden mussten. Dazu gehörten 1971 zwei neue Kammstraßen (Weser-Kurier vom 24.1971) in einer Halle aus Stahlbetonelementen, die eine Fläche von 18.000 qm benötigten und die Kapazität der Kämmerei auf 33 Mio kg pro Jahr erhöhten. Da die Sortierung mit ihrer hohen Frauenbeschäftigung, die zur Zeit der BWK-Gründung noch eine personalintensive große Abteilung war, stetig an Bedeutung verlor, weil diese Tätigkeiten immer häufiger bereits in den Exportländern erfolgten, sank im Zuge dieser Umstellung der Arteit auf technische Kontrollaufaben an den Maschinen der Anteil der Mitarbeiterinnen auf nur noch 10 % der Beschäftigten.

1972 folgte eine neue Rohwollwaschanlage (Weser-Kurier vom 1.3.1972). Dadurch erreichte die BWK inerhalb von fünf Jahren eine Zuwachsrate von 30% und erzielte 1972 eine neue Produktionsspitze in der Nachkriegszeit mit 69 Mio. kg. (Weser-Kurier vom 25.5.1976)



Autofrei, aber nicht nur mit Spaß (1973)

In der Zeitspanne zwischen 1966-7 und 1982-2, also im Wesentlichen in den 1970-er Jahren litt die Wetwirtschaft nicht nur unter der Rezession Ende der 1960-er Jahre, sondern auch unter zwei Ölpreisschocks, bei denen extreme Explosionen der Rohölpreise die Wirtschaftsentwicklung der Industrieländer eintrübten, für die der Ölpreis ein ganz wesentlicher Kostenfakor ist.

Nach den Worten von BWK-Direktor Heinz Rust begann Mitte 1973 sogar eine Rezession, die sein Unternehmen "härter" und "länger" traf als der konjunkturelle Abschwung Ende der 1960-er Jahre.  (Weser-Kurier vom 8.12.1975)


Dieses Urteil entspricht auch durchaus den Daten für die gesamte deutsche Volkswirtschaft. So ging nach den Wirtschaftswunderjahren 1967 erstmals die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 % zurück. 1975 und 1982 - nach den damaligen Ölkrisen - schrumpfte die Wirtschaft dann abermals, und zwar um deutlichere 1,0 % bzw. 0,8 %.  

Entsprechend ihrer Entstehung bezeichnet man diese wirtschaftlichen Schwächeperioden mit dem Begriff „Ölpreisschock“, da die Erhöhungen der Rohölpreise 1973 und 1979/80 in den Industrieländern schwere Rezessionen auslösten.

Anlässe waren damals keine Produktionsengpässe oder eine Angst vor fehlenden Erdölreserven, wie sie etwa vom Club of Rome thematisiert werden, der 
1968 gegründet wurde und sich als gemeinnützige Organisation für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzt. Vor allem mit seinem 1972 veröffentlichten Bericht "Die Grenzen des Wachstums" erlangte er große weltweite Beachtung. Dazu trug fraglos nicht zuletzt die Publikation der Arbeitsergebnisse in einer kritischen Zeit der Weltwirtschaft und der Rohstoffversorgung bei.

Die erste und folgenreichste Ölkrise begann  im Herbst 1973, als die Organisation erdölexpotierender Länder (OPEC), deren Mitgliedsstaaten damals 55 % des Weltbedarfes an Erdöl deckten. Wegen des Jom-Kippur-Krieges drosselten diese Länder im Oktober 1973 die Fördermengen um etwa fünf Prozent, um die westlichen Länder wegen ihrer Unterstützung Israels unter Druck zu setzen. Dadurch stieg der Ölpreis von 2,89 US-Dollar pro Barrel im Jahr 1972 auf 11,65 US-Dollar pro Barrel - das sind 159 Liter - im Jahr 1973 an.


                          Entwicklung des Ölpreises 1966 - 2011

Anmerkung: gelb: Brent Spot nominal, blau: Brent Spot real (2008 in US-$) (Quelle wikipedia)


Für den erheblichen Anstieg im Verlauf der Krise war ein totales Ölembrgo der OPEC gegen die USA verantwortlich, als der US-Kongress beschloss, Israel in diesem Krieg auch offiziell mit Kriegsmaterial zu unterstützen. Hieran beteiligten sich damals Algerien, der Irak, Katar, Kuweit, Libyen, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).

Als das Öl ausblieb, mussten deutsche Industrieunternehmen ihre Produktion zeitweise einschränken, wodurch es zu Kurzarbeit und Entlassungen.Davon war die BWK jedoch zunächst kaum betrofffen, da 1972 die deutsche Textilindustrie ein überdurchschnittliche Wachstum aufwies, von dem die BWK sogar aufgrund eines Modetrends zur hochwertigen Wolle besonders profitieren konnte.(Weser-Kurier vom 12.7.1972) Erst ab Mitte 1973 machte sich die unsichere Großwetterlage bemerkbar, indem die Kundschaft nur sehr kurzfristig disponierte. So hatte das Unternehmen Mitte 1974 nur einen Auftragsbestand für drei Monate, während es ein Jahr zuvor noch sechs Monate waren. (Weser-Kurier vom 7.6.1974) 

Als die Zahlen auf dem Tisch lagen, konnte der Vorstandsvorsitzende Heinz Rust bei einem Anstieg der Gesamtproduktsion um 15 % von einem Geschäfstjahr mit dem "Prädikat zufriedenstellend" sprechen (Weser-Kurier vom 7.6.1974). Diese zurckhaltene Bewertung dürfte im Hinlick auf die schwierige Lage Anfang 1973 getroffen worden sein, als es bereits in der zweiten Hälfte zu einer Produktionseinschränkung auch in der Cemiefaserabteilung gekommen war, die von den hohen Ölpreisen und der Verteuerung der Chemiefasern unmittelbar betroffen war. (Weser-Kurier vom 1.6.1973)

Trotzdem konnte das Mangement später von einem "tufbulenten Jhr" berichten, das man "gut gemeistert" habe. Dieses Urteil ist im Vergleich mt der gesmten deutschen Wirtschaft durchaus berechtigt, lenkt aber von der gesunkenen Mitarbeiterzhl von 1.700 auf 1.400 und von der Gewinnsitation ab. 

Im Produktmix gab es im Zuge des Ölpreisschocks eine kleine Revolution, da sich 1973 der Anteil der verarbeiteten Chemiefasern auf zwei Drittel verdoppelte. Als wichtgste Herausforderungen sah die BWK-Führung neben dieser Änderung des Rohstofeinsatzes die immensen Kostensteigerungen, wobei die Abeitsstunde auch inflationsbedingt um 16 % anstieg, sowie die Verunsichrung der Verbraucher aufgrund der Ölkrise und ihrer Folgen. (Weser-Kurier vom 7.6.1974)

Der Abschluss für 1974 war dann noch deutlich von der Krise und dem zögerlichen Kaufverhalten der Verbraucher geprät. So sanken die Personalkosten durch einen Abbau von Arbeitpltzen weiter und die Dividende fiel um ein Drittel weiter von 9 DM auf 6 DM je Aktie. 


Neben dem Ölprisanstieg verstärkten eininige Maßnahmen des Staates die negative Konsumentenstimmung in Deutschlnd. Dazu zählte das am 9. November 1973 verabschiedete sogenannte Energiesicherungsgesetz, das Sofortmaßnahmen wie ein Sonntagsfahrverbot erlaubte. So wurden, teilweise unter dem Motto "Autofrei und Spaß dabei", ab dem 25. November 1973 an vier Sonntagen ein allgemeines Fahrverbot verhängt sowie für sechs Monate generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Bundes- und Landesraßen erlassen. 

Diese Maßnahmen hatten nicht nur das Einsparen von Öl zum Ziel, was kaum gelang, sondern sollten der Bevölkerung auch den Ernst der Situation nahebringen und sie für das Thea Energieeinsparung sensibilisieren. Um trotzdem zumindest keiner sonntägliche Trstesse aufkommen zu lassen, boten viele Kommunen ein Untehaltungsprogram unter dem Motto "Autofrei und Spaß dabei" an. Diese Regelungen brachten alerdings nur dreimal leere Straßen, denn am vierten Sonntag wurden aufrgund von zahlreichen Ausnahmegenehmigungen wieder Staus gemeldet.

Aufgrund der
 vertauerten Ölimporte musste die Bundesrepublik 1974 rund 17 Milliarden DM mehr bezahlen als im Jahr zuvor. Das verstärkte auf der volkswirtschaftlichen Ebene die Wirtschaftskrise und führte zu einem deutlichen Anstieg von Kurzarbeit, Arbetlosigkeit, Sozialausabe und Untenehmensinsolenzen. Es kam zu einer gefährlichen Stagflation, d.h einer gefährlichen Kombination von fehlendem Wachstum und hohen Inflationsraten, für die es kein überzeugende ökonomisches Therapieinstrumentrium gab..


Ein ganz normaler Wollzyklus (1970- 1974)

In dem hier betrachteten Zeitraum haben gesamtwirtschafliche Rezessionen, die teilweise durch Ölpreisschocks ausgelöst wurden, das wirtschaftliche Leben geprägt. Dadurch wurden die gleichzeitig bestehenden kurzen Wollpreiszyklen überlappt, auf die das Management seit der Gründung des Unternehmens reagieren musste, um die Folgen für die AG und ihre Mitarbeiter in erträglichen Grenzen zu halten. 


Wollpreiszyklen im Zeitraum 1945 - 1993

1945-61961-21977-8
1946-71962-31978-9
1947-81963-41979-80
1948-91964-51980-1
1949-501965-61981-2
1950-11966-71982-3
1951-21967-81983-4
1952-31968-91984-5
1953-41969-701985-6
1954-51970-11986-7
1955-61971-21987-8
1956-71972-31988-89
1957-81973-41989-90
1958-91974-51990-1
1959-601975-61991-2
1960-11976-71992-3
Anmerkung: gelb: Hochpunkt, grün: Tiefpunkt
Quelle: Roche, S.88



Auch wenn das Management der BWK von der Faustregel ausging, dass die Zyklen auf dem Wollmarkt in der Regel vier Jahre dauern, hat diese Aussage nur einen begrenzten praktischen Wert. Betrachtet man die Marktdaten, werden vielmehr unterschiedlich lange Zyklen sichtbar, wie sie in der Übersicht farblich dargestellt sind. Sie reichen von zwei Jahren, was beispielsweise 1959-60 oder 1988-89 der Fall war, bis zu dem beinahe nie enden wollenden Preisauftrieb zwischen 1974-5 und 1988-9, als der Preis von 203 Austral-Cent/ kg auf 991 Austral-Cent/ kg stieg, sich also ohne größere Korrektur mehr als vervierfachte.

Diese Unregelmßigkeiten kamen sogar für die Experten überraschend, denn der Vorstandvorstzende der BWK, Heinz Rust, erwartete für das Jahr 1980 einen " Höhepunkt im vierjährigen Wollzyklus" (Weser-Kurier vom 5.7.1980). Das erwies sich dann in der Realität als leicht voreilig, da der Wollpreis erst 1988-9 seinen Wendepunkt errichte. Diese Prognoseproblematik erklärt die schwierige Lagerhaltung, wo man mit großen Betänden bei steigende Presen außerordentliche Gewinne erzielen, aber durch fallende Preisen zu entsprechenden Abschreibungen auf den Wert der Bestände gezwungen ist.

Die Übersicht mit empirischen Wollpreisdaten vermittelt allerdings nur einen sehr groben Trend, da sie sich auf jährliche Durchschnttspreise bezieht. Die teilweise kräftigen Schwankungen innerhalb eines Jahres, die eine genauere Messung der Zyklenlänge erlauben würden, sind damit ausgeklammert.

Trotzdem lassen sich an einem eher durchschnittlichen Zyklus die Effekte beschreiben, die der Preis von Rohwolle für das Geschäft der BWK besessen hat, sich also im Umfang des Eigengeschäfts, der Zahl der Mitarbeiter und dem Jahresergebns niederschlug. 

Allerdings bereitet es einige Mühe, einen "typischen" Zyklus empirisch zu bestimmen, da es in den hier betrachteten Jahren eine Vielzahl von Koinzidenzen mit den Ölpreisschocks und den konjunkturellen Krisen gab 

Ein relativ gutes Beispiel kann der Zeitraum 1970 bis 1974 bieten, als der Wollpreis zunächst von 109 auf 314 stieg, um dann auf 203 Austral-Cent/ kg abzufallen.


Wollpreis und BWK-Kurse im Zeitraum 1968 - 1978
Anmerkung: blau: Wollpreis (in Austral-Cent/ kg) und orange: Jahresendkurs in DM
Quelle: Roche, S. 88l und Hamburger Abendblatt


Im Zeitintervall um den Wollzyklus im engeren Sinne lässt sich ein deutliche Zusammenhang zwischen dem Wollpreis, also einer Rahmenbedingung des Kammzuggeschäfts in Blumenthal, und dem Kurs der BWK-Aktie erkennen, die einen Indikator für den jeweils aktuellen Wert des Unternehmens vor allem auch im Hinblick auf seine Zukunftsaussichten darstellt. Von steigenden Rohwollpreisen erwartete danach der Kapitalmarkt gute Geschäfte und Gewinne bei der BWK. Das zeigt sich vor allem in den letzten Jahren dieser Periode, als der Wollpreis den Aktienkurs hochzuziehen schien, während sich zunächst im Jahr 1969 der BWK-Kurs vom Einbruch durch die Rezession zu erholen scheint.


Neu gestückelte BWK-Aktien  (1979)

Nachdem bereits am 9. Juni 1969 die Börsennotierung der BWK-Aktie von Prozent auf 100 DM umgestellt wurde, folgte 1979 eine andere Stückelung der Anteilswerte.


Das hatte durchaus Wirkungen vor allem für Kleinaktionäre, während die ein Jahrzehnt zuvor erfolgt Änderung praktisch ausschließlich die Benennung der Kurszahl betraf. Musste  man vorher vom einem Kurs von - sagen wir - 250 % sprechenn, die sich auf den in der Aktie verbürgten Anteil am Grundkapital bezogen, musste man jetzt 250 DM für ein Wertpapier bezahlen, das für 100 DM des Grundkapitals von 20 Mio. DM stand.

Diese damals neue Bezeichnung wurde 1979 dem internationalen Bpörsenhandel durch eine sogeannte Stücknotiz angepasst. Da es damals noch ausgedruckte, zentral verwahrte Aktienurkunden gab, konnte man diese effektiven Stücke handeln. Damit konnte ein Investor, der Anteile der BWK erwerben wollte, als kleinste Einheit nur eine Aktie kaufen, deren Wert von der "Größe" dieser Stücke abhing. Die BWK entschied sich fürr Stücke, die 50 DM, 100 DM oder 1.000 DM des Grunkapitals reräsentierten.

Aufteilung des Grundkapitals der BWK nach der Einführung der Stücknotiz

Anmerkung: 1: 1.000 DM (88,8 % des Grundkapitals), 2: 100 DM (19 %) und 3: 50 DM (1,3%)



Den entsprechenden Beschluss fasste die Hauptversammlung im Jahr 1979. Dabei erfolgte abweichend von der Einteilung der alten Aktienurkunden die Schaffung von 5.000 kleinen Aktien zu je 50 DM. Dazu unterteilte man fünf alte Aktien, die jeweils 1.000 DM am Grundkapital repräsentierten, in jeweils zwanzig Stücke zu 50 DM. 


Damit wurde es möglich, schon mit recht kleinen Beträgen bei der BWK einzusteigen. Das Gros der Aktien war jedoch, wie das Kreisdiagramm veranschaulicht, durch Stücke über 1.000 aufgeteilt. Das machte damals einen Kurswert von 2.380 DM.

Die Umstellung selbst mit der Ausgabe neuer Aktienurkunden über die 20 Mio. DM Grundkapital erfolgte dann am 
17.12.1979.

 

                             Stückaktie der BWK von 1979
Neu gestückelte 50-DM-Aktie von 1979 mit den Unterschriften von Hofmeister (AR) sowie Delius und Georgi (Vorstand)


Die Anpassung an Wechselkursänderungen (1978-85)

Eine gravierende Herausforderung für die BWK waren vor der Einführung des Euros die Entwicklungen der Währungen der Länder, in denen die wichtigsten Wettbewerber beheimatet waren. Konkret ging es daher um die italienische Lira, den französischen Franc und das englische Pfund.

Wie die Gegenüberstellung in der folgenden Tabelle zeigt, mussten in den Jahren zwischen 1973 und 1977 erhebliche Unterschiede bei der Entwicklung der ausländischen Währungen aufgefangen und kompensiert werden. Besonders war die BWK dabei von der Stärke der DM betroffen, was sich in einem durchgängigen Wertverlust aller drei wichtigen ausländischen Währungen manifestiert. Dabei verlor beispielseise die Lira die Hälfte ihres Wertes. In diesem Fall hätte also die BWK für Kammzge, die 1973 eine Million DM gekostet haben, nur eine halbe Million fordern können, wenn der Preis in Lira gleichbleiben sollte. Das war wegen der höheren italienischen Inflationsrate zwar nicht nötig, zeigt aber die vorhandenen Probleme.



Wechselkurse für ausgewählte Währungen 1973 - 1978

Wechselkurse am Jahresende
1978 DM
Veränderung gegenüber 1977 in %
Veränderung gegenüber 1973 in %
US-Dollar
1,83
-13
-32
Engl. Pfund
3,71
-7
-41
Franz. Franc (100)
43,57
-3
-23
Ital. Lira (1000)
2,2
-9
-51
Quelle: BWK-Geschäftsbericht 1978, S. 4.

   
Eine ähnliche Wirkung hatten auch die für den globalen Wollhandel wichtigen Währungen US- und Austral-$. In beiden Fällen ist es während der 1970-er und 1980-er Jahre auch zu Entlastungen beim Einkauf gekommen, wenn dank der starken DM beide Währungen und damit die in ihnen gehandelte Wolle relativ billiger geworden ist.



Der Preis australischer Wolle im Verlauf des Jahres 1985 in Austral-$ und DM
                                     Quelle: BWK-Geschäftsbericht 1985, S. 9.


Dieser Effekt wird ganz besonders im Jahr 1985 deutlich, als die Preise für viele Wollen in Austral-$ leicht gestiegen, in DM jedoch über ein Drittel gesunken sind. Durch diese DM-Stärke und die damit verbundenen niedrigen Einkaufspreise konnte die BWK ihr Ergebnis deutlich steigern. Während sich der Umsatz in DM leicht erhöhte und der Wert der Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren sogar ganz leicht sank, stieg der Jahresüberschuss sprunghaft von 4,2 Mio. DM auf 6,3 Mio. DM, also um die Hälfte.



Die Situation der europäischen Kämmereiindustrie um 1979


Die Entwicklung der BWK hing auch in dem hier betrachteten Zeitraum nicht nur von der globalen Wirtschaftsentwicklung und den Unternehmensentscheidungen in Blumenthal ab, sondern auch von den wichtigsten Wettbewerbern.  Daher hat sich das Management in den Geschäftsberichten mehrfach mit der Situation in den großen europäischen Ländern mit einer bedeutenden Kämmereiindustrie bechäftigt. Grundlage dafür waren die Länderstatistken zum Rohwollverbrauch und zur Poduktion bzw. zum Verbrauch von Kammzügen.

Wie die folgende Tabelle aus dem Geschäftsbericht von 1980 zeigt, hat sich das Gewicht des Rohwollverbrauchs im Zeitraum 1965 - 1979 deutlich verschoben. Während noch im Ausgangsjahr Großbritannien der eindeutig größte Verbraucher war, hatte fünfzehn Jahre später Italien diese Position erobert.



             Rohwollverbrauch europäischer Staaten 1965 - 1979


                           Quelle: BWK-Geschäftsbericht 1980, S. 7.


Ähnlich wie in England mit seiner traditionellen Kämmereiregion um Bradford hatte auch Belgien, das in der Frühphase der industriellen Kämmereien durch die Erfindung des Leviathans einen Vorsprung besaß, an Gewicht verloren.

Das gilt auf der Ebene der Länder auch für die Bundesrepublik Deutschland, deren Rohwollverbrauch um 10 % gesunken ist. Offensichtlich ist es der BWK in diesen 15 Jahren nicht gelungen, den Umsatz ihrer geschlossenen deutschen Wettbewerber vollständig zu übernehmen, auch wenn ihr Verbrauch deutliche 35 % gestiegen ist (1980, S. 7).

Ein Blick auf die europäischen Kammzugproduzenten weist die Bundesrepublik hinter Frankreich, Italien und Großbritannien als die Nummer vier in Europa aus. Beim Verbrauch, also der Nachfrage durch Spinnereien, ergibt sich eine abweichende Rangreihe, da hier die italienische Textilindustrie mit großem Abstand an der Spitze steht. Die Bundesrepublik folgt hier knapp hinter Frankreich auf Platz 3. 


Produktion und Verbrauch von Wollkammzügen 1979 in europäischen Ländern
                  
                                 Quelle: Geschäftsbericht 1979, S. 7.


Während die Bundesrepublik bzw. konkret fast ausschließlich die BWK als einzige größere Wollkämmerei für eine Produktion sorgt, die nur relativ geringfügig unter dem Verbrauch lag, galt das in keiner Weise für die drei anderen großen europäischen Kammzugprodzenten; denn Frankreich und Großbritannien erzeugten erheblich mehr als im Land verbraucht wurde, während in Italien die Produktion nur etwa die Hälfte des Verbrauchs betrug. 

Ende der 1970-er Jahre besaß die europäische Kämmereiindustrie eine international günstige Position, da in Europa mehr verbraucht als produziert wurde. Das galt nicht zuletzt auch für Deutschland. Damals bestand also eine große Nachfrage nach Kammzügen, wobei offenbar die Preise für Importe aus Frankreich, Großbritannien oder aus Ländern, die nicht zur EG gehörten verantwortlich waren. 

Mit dieser Analyse konnte die BWK ihre Rationalisierungsprogramm überzeugend begründen, da nur über die Senkung der Stückkosten die Wettbewerbsposition gehalten und möglicherweise sogar weitere Marktanteile erobert werden konnten.  


Die Strategie der BWK, menschliche Arbeitkraft durch möglichst weitgehend automatisierte Maschinen zu ersetzen, war jedoch nicht nur nötig, um gegenüber Wettbewerben in Frankreich und Großbritannien bestehen zu können, wo die Arbeitsstunde billiger war. Daneben bestand ein ganz elementarer Sachzwang. Der deutsche Arbeitsmarkt war in der Zeit am Ende des 1970-er Jahrzehnts auch in Bremen-Nord leergefegt. Das galt sogar für ungelernte Kräfte, sodass sich die BWK  für eine Aufhebung des Anwerbeverbots aus Griechenland einsetzte und eben ihren Maschinen vertraute.


Ölkrise, die zweite  

Anfang der 1980-er Jahre führten erneute Spannungen im Nahen Osten zu einem drastischen kurzfristigen Anstieg des Ölpreises mit den wirtschaftlichen Auswikungen, die bereits aus der ersten Ölkrise bekannt waren. Auslöser war ein Angriff des Iraks auf den Iran, der zum ersten Golfkrieg führte. Dabei versuchte der Irak im Rahmen eines Tankerkrieges, in dessen Verlauf mindestens 250 Tanker beschädigt oder zerstört wurden, den iranischen Erdölexport zu verhindern. Das führte zu einer Verknappung des Angebots mit den entsprechenden Preisreaktionen. Vorausgegangen war die Islamische Revolution im Iran, durch die das Schah-Regie im Zuge einer Volkserhebung gestürzt worden war, wobei die militärischen Fähigkeiten des Landes gelitten hatten.

Der damalige Preisanstieg erreichte Anfang 1981, nachdem er sich innerhalb eines Jahres praktisch verdoppelt hatte, in dieser Krise bei ca. 38 US-Dollar pro Barrel sein Maximum. Ende der 1980-er Jahre fiel der Ölpreis dann wieder auf unter 20 $ pro Barrel.

Der erhöhte Ölpreis führte zu einer breiten Umverteilung zwischen den alten industriell geprägten Volkswirtschaften vor allem in Europa, deren Wohl und Wehe mit den Energiekosten verbunden ist, auf der einen Seite und den jungen Erdölforderländern auf der anderen Seite. Das ließ sich an den Verschiebungen der Zahlungsbilanzen deutlich ablesen, als sogar der langjährige Exportweltmeister Deutschland damals ein Minus ausweisen musste.
Im Jahr 1982 war der private Konsum bei einer Arbeitslosenquote von 8,6 % besonders stark betroffen, denn bei einem um 1,1 % gesunkenen Bruttosozialprodukt wies der private Verbrauch ein Minus von 2,2 % auf. (1982, S.5) 

Mit einem gehörigen Abstand erscheinen die 1970-er Jahre daher häufig als ein Jahrzehnt wirtschaftlicher Krisen, deren besondere Charakteristika mit dem Begriff der Stagflation bezeichnet werden. Auslöser dieser Stagflationen waren in der Regel Preisschocks vor allem bei den Kosten für die Energie, die für die Wirtschaft der westlichen Industrieländer ein ganz zentraler Kostenfaktor ist.

Die Erklärung des Wirkungszuammenhangs beginnt mit der Reaktion der Unternehmen. Danach erwartet ein Management bei den höheren Kosten und Preisen einen Rückgang der Nachfrage und reagiert darauf mit einer reduzierten Produktion. Wenn die dadurch erzeugte Menge zu klein ist, da die Konsumenten unabhängig von ihren gesunkenen Einkommen ihren Verbrauch zunächst beibehalten, steigen die Preise. Es kommt also zu einer wirtschaftspolitisch unerwünschten Kombination von sinkendem Wirtschaftswachstum sowie steigender Arbeitslosigkeit und Inflation.

Dieser Wirkungszzusammenhang trat mit der zweiten Ölpreiskrise ein, als die Weltwirtschaft ihre bis dahin größte globale Depression nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte, und das nach der "längsten Rezession der Nachkriegszeit" im Zeitraum 1967-1976. Diesen Rahmenbedinungen konnte sich auch die BWK nicht entziehen. Ein gesunkender Umsatz war mit einer geringeren Mitarbeiterzahl verbunden. Nur die Aktionäre erhielten einen Bonus. Aber dafür gab es einen besonderen Anlass und eine gleichzeitige Senkung der "Normaldividende". Es war also nur ein optisches Geschenk.


(Der zweite Teil folgt hier)

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