Mittwoch, 7. Oktober 2015

Schafzucht



Schafe als Wirtschaftsfaktor: 

Vom Schäfer zum Wollproduzenten



Auch wenn wir in vielen Gegenden Deutschlands Schafe vor allem allein oder in Gruppen auf kleinen Rasenflächen finden, wo sie teilweise angepfählt sind, damit sie die Blütenpracht angrenzender Beete nicht auf ihren Speisezettel setzen können, ist diese Form der Haltung keineswegs charakteristisch für das Leben der Schafe insgesamt. Das gilt auch für die größeren Herden auf Deichen oder bei den letzten Schäfern, die noch diesem alten Beruf nachgehen.

Die meisten der nach aktuellen Schätzungen derzeit etwa eine Mrd. Schafe, die auf der Erde leben, findet man außerhalb Europas in großen Herden, die auf entsprechend riesigen Koppeln weiden.




                            "Wool - A Journey Through Time" (Quelle: youube)
                                



Das Schafzuchtland Australien


Typisch für die weltweite Schafzucht war und ist Australien, auch wenn dieser Staat, der einen ganzen Kontinent umfasst, in der Statistik bei der Schafhaltung nicht mehr an der Spitze steht (vgl. Tab. 3). Dennoch ist Australien weiterhin das Land, das mit seinem Gewicht auf dem globalen Wollmarkt die Entwicklung der weltweiten Schafzucht prägt.

Die Geschichte der australischen Schafzucht ist vergleichbar mit der in anderen früheren Kolonialländern - so in Neuseeland, Südafrika und teilweise auch in Argentinien und Uruguay. Das gilt in Lateinamerika vor allem für die La Plata-Region und Patagonien. Vergleichbare Methoden findet man auch in den USA und Kanada, obwohl in diesen Ländern die Schafzucht weniger für den Wollexport nach Europa betrieben wurde.


Die Anfänge der australischen Schafzucht reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück, denn 1788 soll das erste Schaf in Australien eingetroffen sein. Relativ schnell zeigte sich, dass auf dem 5. Kontinent besonders gute Lebensbedingungen für Schafe bestehen und der Wollexport ein sehr auskömmlicher Wirtschaftszweig sein kann. So wurde 1807 der erste Ballen Wolle nach England exportiert und 1830 hatten sich die ersten Schafe bereits auf stattliche zwei Millionen vermehrt.



                        Zahl der Schafe in Australien 1885 - 2011



                                     Quelle: Australian Bureau of Statistics




Die neue Ära der australischen Schafzucht


Diese dynamische Aufwärtsentwicklung der australischen Schafzucht erreichte ihren Höhepunkt 1970, als man in Australien knapp 180 Mio. Schafe gehalten hat.


Nachdem der Wollpreis zugunsten der Wollerzeuger durch ein Aufkaufsystem künstlich hoch gehalten wurde, erreichte auch die erzeugte Wolle 1990 einen Spitzenwert, für die es jedoch keine Kunden gab.

Das dadurch notwendige Ende des australischen Interventionssystems für Rohwolle führte zu tiefen Einschnitten in der australischen Schafzucht. Das zeigen nicht nur die Statistiken, die einen extrem zu nennenden Rückgang der Zahl der Schafe ausweisen. Auch die griffige Formulierungen in den Überschriften der Medien spiegeln diesen Tatbestand wider. Australien konnte nicht mehr auf dem Rücken der Schafe reiten, wie es zuvor gern gesehen wurde. Die Folgen der Politik eines Pufferbestandes an Rohwolle, die sich kaum verkaufen ließ, haben vielmehr dazu geführt, dass, wenn man im Bild bleibt, dem Schaf das Rückgrat gebrochen wurde.

Das Desaster der australischen Wollindustrie, das mit dem nicht mehr finanzierbaren Pufferstock und seiner zwangsweisen Auflösung verbunden war, hat nicht nur die Schafzüchter und Wollverarbeiter hart getroffen und sogar die gesamte australische Wirtschaft beeinträchtigt. Nach und nach wurden daraus Schlussfolgerungen für eine Neuorientierung der Institutionen gezogen, die auf verschiedene Weise die Schafzucht fördern. Deren Finanzierung erfolgt dabei in Australien weniger durch Steuermittel, sondern vor allem durch Abgaben der Wollfarmer. Auch die neu geschaffenen Organisationen sind so vor allem im Besitz der 25.000 Wollproduzenten.

Generelle Ziele waren dabei auf der Nachfrageseite eine Verbesserung des Images der Naturfaser Wolle und auf der Angebotsseite eine Kostensenkung für der Wollfarmer und die Qualitätssteigerung der Wolle, die stärker an den Wünschen des Marktes orientiert wurde. Der Name der ersten Neugründung „The Australian Wool Research and Promotion Organisation (AWRAP)“ bringt das deutlich zum Ausdruck. Später kam es zu einer Reihe von organistorischen Änderungen. Die Zielsetzungen blieben dabei jedoch erhalten.



                                              Quelle: Geschäftsbericht von AWI


Die wichtigen heutigen Organisationen sind auf der Absatzseite Woolmark, die u.a. das auch in Deutschland bekannte Wollsiegel vermarktet, und für die Arbeit der Schafzüchter „The Cooperative Research Centre for Sheep Industry Innovation“ (Sheep CRC




                   "The Woolmark Company at a glance | 50 Years" (Quelle: youtube)




Dieses Zentrum beschäftigt sich mit einer Reihe von Schwerpunkten, die die australischen Schafzüchter wettbewerbsfähiger machen sollen und ihnen dadurch ein besseres Einkommen verschaffen können. Dabei geht es sowohl um eine Verbesserung des Farmmanagements, um mit weniger teurer Arbeit auszukommen und generell durch Innovationen bei der Auswahl der Tiere für die Züchtung und durch die Vermeidung von Krankheiten die Kosten zu senken, als auch um die Steigerung der Qualität von Fleisch und Wolle.

Da diese Organisation um ihre Forschungsmittel ständig kämpfen muss, ist sie zwangsläufig an einer praktischen Verwendung ihrer Ergebnisse interessiert.

Das ist allerdings unter den australischen Schaffarmern ohnehin kein sehr großes Problem, da sie an neuen Methoden, die ihre Bilanz verbessern können, generell sehr interessiert sind. So arbeiten beispielsweise viele Eigentümer von Schaffarmen als Finanzberater oder Banker und sehen ihren landwirtschaftlichen Besitz wie jedes andere Investment auch unter Rentabilitätsgesichtspunkten.

Daneben sorgen weitverbreitete Medien für eine Verbreitung von Informationen über neue Entwicklungen und von konkreten Empfehlungen. Hierzu zählen eine Sendereihe „Landline“ des Fernsehsender abc und der werbefinanzierte Newsletter „Get Farming“ mit einer speziellen Rubrik „Sheep/ Wool“.

Daneben wird ein multimediales Beratungspaket vertrieben, dessen Name bereits klar und deutlich sagt, warum es geht: Making more form sheep.

Dazu werden verschiedene Module angeboten, mit deren Hilfe Schaffarmer mit ihren Sheep stations höhere Gewinne einfahren können. Hierzu zählen vor allem:


- eine frühzeitige Auswahl der Zuchttiere durch DNA-Analysen, wobei sich die      Selektion an der Kundenwünschen zur Fleisch- und Wollqualität orientiert,

- eine Steigerung der Mehrlingsgeburten,

- eine Senkung der Sterblichkeit der Lämmer und

- eine Reduzierung des Parasitenbefalls.


The annual routine on the property is:
January Rams Schafböcke are put in with the ewes (Mutterschaf) for
mating
March Shearing
June Ewe hoggets are culled and culls auswählen
sold
June/July Ewes lamb Lamm
August Lamb tailing
September Final lamb tailing (Schwanz krzen)
October Crutching (Entfernung dr Wolle am Schwanz)
November Wether lambs sold
November Old ewes sold (usually sold off shears) (NN 28 ,S.10)

www.rawnsleypark.com.au

Dual Purpose Merino Pushes the Boundaries
A focus on increased genetic gain in one
Victorian Merino flock has resulted in a
10kg lift in weaning weight, increased
fleece weight and fertility without
compromising micron or wool quality.
The 8000-ewe spring-lambing Warrambeen
flock, averaging 17.5 micron, is run by the Taylor
family in the western districts at Shelford.
Using a simple plan based on lamb survival, the
family has boosted lamb marking from 70 to
100 per cent, enabling selection for improved
genetic gain from large contemporary groups.
Average fleece weights have jumped from
3kg to 4.5kg in adult ewes, and from 1.5kg
to 2.9kg in the lambs. And, average weaning
weight has rocketed from 18kg liveweight to (NN,2014, S.5)


       DNA Technology - Changing the Face of New Zealand Sheep Farming (Quelle: youtube)


Die neuseeländische Schafzucht: keine kleine Kopie Australiens


Die neuseeländische Schafzucht hat immer im Schatten der australischen gestanden, da das Land deutlich kleiner als Australien ist und daher auf dem globalen Wollmarkt ein entsprechend geringeres Gewicht besitzt.

Betrachtet man jedoch relative Zahlen, sieht die Situation deutlich anders aus; denn in Neuseeland kommen auf einen Einwohner 10 Schafe und Neuseeland weist auch die größte Schafdichte pro Fläche weltweit auf.

Die Schafzucht in diesem Inselstaat musste sich zwangsläufig ebenfalls den veränderten  globalen Rahmenbedingungen anpassen. So sank der Schafbestand deutlich, und zwar von 70 Millionen im Jahr 1982 auf inzwischen etwa 39 Mio. (2007). 


Auch hier waren die Schafe über mehr als ein Jahrhundert ein ganz entscheidender Wirtschaftsfaktor. Danach haben die neuseeländischen Farmer jedoch früher auf andere Produkte gesetzt als ihre australischen Kollegen; denn seit 1992 stellen Molkereiprodukte noch vor der Wolle und dem Fleisch der Schafe die wichtigsten agrarische Exportartikel dieses Landes dar.

Wichtige Unterschiede bestehen auch innerhalb der Schafzucht. Neuseeland hat bereits früh auf den Export von Schaffleisch gesetzt, so zunächst vor allem nach England.

Und bei der Wolle rückte Neuseeland die Merino-Rasse nie so in den Vordergrund, wie das Australien mit seiner Werbung für feine Merinowolle so ausgesprochen intensiv macht, sodass Schafe auf dem Nachbarkontinent fast mit Merinos gleichgesetzt werden.

Hier hat man nie vor einer Vielzahl von Kreuzungen zurückgeschreckt, wodurch aktuell vor allem die Zahl der Mehrlingsgeburten gesteigert werden soll, um die Kosten für Lämmer und damit auch für das hochpreisige Lammfleisch zu senken.

                                  "How To Be A New Zealand Farmer! (Quelle: youtube)

Diese Indifferenz gegenüber den klassischen Schafrassen zeigt sich beispielsweise sogar darin, dass keine zuverlässigen Statistiken vorliegen, in denen die neuseeländischen Rassen getrennt aufgeführt sind. Üblicherweise wird daher nur von Kreuzzucht bzw. crossbreed gesprochen.



http://en.wikipedia.org/wiki/Sheep_farming

Kleine abgelegene Schafzuchtregionen


http://www.patagonia.com/eu/deDE/patagonia.go?assetid=92971

http://de.wikipedia.org/wiki/Shetland

http://de.wikipedia.org/wiki/Patagonien

Norwegen 

http://www.lopi.de/islandwolle.html

Als Rasse ist das Islandschaf einzigartig – die Reinrassigkeit wurde über Jahrhunderte hinweg durch Abschirmung von anderen Tieren bewahrt.

Ebenso ist die Wolle der Tiere mit keiner anderen vergleichbar.

Durch 1100 Jahre im subarktischen Klima, hat sich die Isländische Wolle zu einem unverwechselbaren Gemisch aus Innen- und Außenfasern entwickelt. Die äußeren Fäden sind lang, glänzend, fest und wasserfest – die Inneren sind fein, weich und warm, sodass sie im hohen Grad vor Kälte schützen. Ein anderes charakteristisches Merkmal des Islandschafs ist seine natürliche Färbung: Schwarz, Grau und Braun mit Weiß. Zusammen ergibt es den unverkennbaren Look der Isländischen Strickkleidung. Eines der bekanntesten Beispiele ist hier wohl der Lopi.
http://en.wikipedia.org/wiki/Lopi

Schafhaltung für die Selbstversorgung und Teppichherstellung



Traditional skills of carpet weaving in Fars
https://www.youtube.com/watch?v=xaBsaQwwV7Y

Auch wenn Australien und Neuseeland mit ihrer marktorientierten Schafzucht weiterhin die wichtigsten Wollexportländer sind, werden Schafe nicht nur hier gehalten. Kleine Schafherden, die häufig von Hirten geweidet werden, findet man auch in zahlreichen anderen Ländern, die ebenfalls erhebliche Bestände aufweisen. Das gilt vor allem für China, den Iran und Indien. In diesen Ländern ist die Schafzucht stärker auf die Selbstversorgung ausgerichtet, sodass man Milch, Fleisch und Wolle fast gleichwertig verwendet. 


Bei der Wolle steht daher weniger die Produktion feiner Merionowolle im Vordergrund, sondern die Haltung einheimischer Rassen, deren Wolle sich vor allem für die Teppichherstellung eignet. Das trifft in besonderer Weise auf den Iran mit seinen weltberühmten Perser-Teppichen zu. Hier halten Kleinbauern in der Regel Herden von knapp 40 Tieren, die eine als Gartenkultur betriebene Landwirtschaft ergänzen.




                                                  Landwirtschaft im Iran

                               "Persien - Das Land der Teppichkultur" (Quelle: youtube)


Ähnlich sieht es inzwischen in China aus, nachdem man dort zunächst nach dem 2. Weltkrieg und dem Bürgerkrieg eine Merino-Zucht aufbauen wollte. Heute konzentriert sich hier die Schafzucht auf die autonomen Provinzen Xinjiang (früher: Sinkiang) und Innere Mongolei, wo fast die Hälfte aller chinesischen Schafe zu finden ist.




                                  Landwirt in der chin. Provinz Hebei

http://de.wikipedia.org/wiki/Pastoralismus


Leitfragen:



Wieso hat sich Australien zum Kernland der Schafwollproduktion entwickelt?

Nach welchen Merkmalen erfolgt heute die Selektion der Tiere bei der Züchtung?


Wieso sagt man heute, das Merinoschaf habe einen doppelten Zweck?

Was bedeutet der Satz „Der Bock ist die halbe Herde“?


 


Fakten und Quellen:


Neben den verlinkten Beiträgen findet man weitere Informationen u.a. in folgenden Texten:



Aktuelle Internetinfos:


DNA-Analysenwww.sheepgenetics.org.au/Resources/Brochures-and-fact-sheets

und 

www.sheepcrc.org.au/files/pages/articles/sheep-crc-wool-conference-2012/BEN_HAYES___WHAT_GENOMICS_OFFERS_THE_WOOL_INDUSTRY.pdf


Schafschur: www.wasistwas.de/natur-tiere/die-themen/artikel/link//a698176c3a/browse/4/article/wie-wird-das-schaffell-zur-wolle.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=53


Schafzuchtforschung: www.sheepcrc.org.au/files/pages/information/publications/publications-wool/Analysis_of_factors_influencing_the_technical_efficiency_of_wool_production_in_selected_benchmarking_groups.pdf



Schafzuchtratgeber: www.makingmorefromsheep.com.au/announcements/sheep-the-simple-guide-to-making-more-money-with-less-work



Publikationen der BWK:

Aus 29 Merinos wurden 160 Millionen, in: Sir Charles, 6, März 1988, S. 4.

Schafschur heute, in: Sir Charles, 39, Dezember 1998, S. 2.

Merinos: Ein Geschäft. Keine Wolle ohne Schaf, in: Sir Charles, 54, Oktober 2002, S. 3.


Schafschur: Farmbesuch in Australien. Der erste Schritt zur Socke, in: Sir Charles, 60, August 2004, S. 3.


Tabellenanhang


Tab. 1: Die größten Schafwollproduzenten 1884-6 in Mio. kg



Land
Wollproduktion
Australien
206,60
USA
139,52
Argentinien
128,39
Russland
119,28
Großbritannien/Irland
61,66
Frankreich
36,35
Spanien
30,00
Uruguay
26,80
Deutsches Reich
24,90
Ungarn
19,57


Tab2.: Die größten Schafwollproduzenten 2007 in Tsd t.

Land
Wollproduktion
Australien
465
China
395
Neuseeland
218
Iran
75
Großbritannien u. Nordirland
62
Argentinien
60
Russland
51
Sudan
46
Türkei
46
Indien
46








 



Tab. 3: Schafbestand 2008

Land
Schafe in Mio.
China
136,4
Australien
79,0
Indien
65,0
Iran
53,8
Sudan
51,1
Neuseeland
34,1
Nigeria
33,9
Großbritannien
33,1
Insgesamt
1.078,2



Tab. 4: Schafdichte in ausgewählten Ländern


LandSchafe je Einwohner
Neuseeland
10,4
Australien
5,5
Mongolei
4,1
Uruguay
3,2
Mauretanien
2,5
Isle of Man
2,2
Island
1,6
Färöer(„Schafsinseln“)
1,6
Somalia
1,5
Turkmenistan
1,2


Tab.5: Australische Rohwollexporte 2012-3



LandRohwolle in Mio. kgAnteil in %
China266,775,4
Indien21,86,2
Italien15,74,4
Tschechien14,14,0
Südkorea8,82,5
Malaysia4,71,3
Taiwan4,21,2
Japan4,11,2
Ägypten3,00,8
Großbritannien1,80,5



Insgesamt353,6100





Quelle: AWEX Annual Report 2013, S. 39.

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