Freitag, 18. März 2016

BWK: Ausstellung 2


Teil 2: Vorträge



Die Vorträge zum NS-Unrecht in Blumenthal


In den acht Vorträgen, die die Fotoausstellung ergänzten, referierten vorwiegend die Vertreter von Institutionen, die sich in Blumenthal mit den lokalen Relikten aus der NS-Zeit beschäftigen. Dabei setzen sie unterschiedliche räumliche Schwerpunkte, sodass erst in der Zusammenschau ein Gesamtbild entsteht. Die wichtigsten Teile sind die Erinnerung an die Außenstelle des KZ Neuengamme auf der Bahrsplate, um die sich die Internationale Friedensschule kümmert, die Stolpersteine, die auf das Schicksal ehemaliger jüdischer Mitbürger aufmerksam machen, der als Denkort verstandene U-Boot Bunker Valentin und nicht zuletzt der Geschichtslehrpfad, der von einem eigenen Verein betreut wird und vor allem den Bunker Valentin mit den Lagern der auf der Baustelle eingesetzten Zwangsarbeiter und Häftlinge verbindet.


Ergänzt wurde dieser Erinnerungs- und Gedenkbereich durch einen Vortrag des Bremer Professors Schminck-Gustavus, der sich vorwiegend unter juristischen Gesichtspunkten mit den Fremd- und Zwangsarbeitern beschäftigt hat, wobei er auch einige wenige konkrete Schicksale junger Polen in der BWK in Gesprächen erfasst hat. Schließlich informierte noch ein Mitglied der Ende 2012 gegründeten Bürgerinitiative "Tanklager Farge" über seine Recherchen zu dem Bau und Betrieb dieses größten unterirdischen Tanklagers, das gegenwärtig durch eine Kontaminationsfahne die Anlieger bedroht. Eine mögliche Ursache dieser Umweltbelastung wird in sehr späten Kriegsfolgen gesehen, sodass die Bürgerinitiative sich intensiv mit den Vorgängen in dieser Zeit beschäftigt hat.

Bei den folgenden Kurzberichten zu den Themen der Vorträge und Präsentationen handelt es sich um keine Zusammenfassungen von vollständigen Protokollen oder Mitschnitten. Vielmehr wurden unterschiedliche Materialien wie handschriftliche Aufzeichnungen, stellenweise Mitschnitte, Zeitungsberichte und zusätzlich im Internet angebotene relevante Informationen verwendet. Dabei standen zwei Ziele im Vordergrund. Die Berichte sollen auch Lesern außerhalb von Blumenthal und Bremen-Nord schnell mit den Themen vertraut machen. Zudem erfolgte eine Gewichtung des umfangreichen Materials im Hinblick auf die übergeordnete Zielsetzung der Vortragsreihe im Rahmen des Themas "Die Bremer Woll-Kämmerei in der Zeit des Nationalsozialismus". Allein aufgrund der notwendigen Auswahlentscheidungen sind die Darstellungen daher subjektiv, auch wenn durch die Formulierungen versucht wurde, die Aussagen der Vortragenden von Informationen aus anderen Quellen und eigenen Anmerkungen abzugrenzen, ohne durch zu umfangreiche Hinweise die Lesbarkeit des Textes zu erschweren.


NS-Lager auf der Bahrsplate 
(Termin: 7.8)


Die Vortragsreihe begann mit zwei Themen, die von Mitgliedern der Internationalen Friedensschule Bremen behandelt wurden. Bei dieser Organisation handelt sich um ein Projekt des Gustav-Heinemann-Bürgerhauses in Vegesack. Es wurde 1985 von Teilnehmern eines internationalen Work-Camps des Antifaschistischen Arbeitskreises im Bürgerhaus Vegesack gegründet, wozu Anregungen italienischer Freunde aus Marzabotto beigetragen haben. Mit dieser Stadt in der Region Emila-Romagna, wo 1944 deutsche Soldaten ein schweres Massaker begangen haben, werden seit 1985 2-wöchige Internationale Friedenscamps, mehrtägiger Seminarbegegnungen und weitere Austauschprogramme abwechselnd in Marzabotto oder in Bremen veranstaltet.

Heute versteht sich die Friedensschule als ein Diskussions-und Lernort für interessierte Bürgerinnen und Bürger, in dem nach Ursachen von Gewalt geforscht wird und Wege für ein friedlichen Zusammenlebens aufgezeigt werden sollen. Das ist allerdings eher der große Rahmen für das eigene Selbstverständnis; denn konkret engagiert sich die Friedensschule vor allem für die regionale Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Dazu dienen die Schaffung von Orten des Erinnerns und die Organisation von Fahrten zu Orten der NS-Gewaltherrschaft.

Im ersten Vortrag berichtete Karsten Ellebrecht, der sich intensiv mit der lokalen Geschichte während der NS-Zeit beschäftigt, von dem Komplex von Lagern, die seit 1940 auf der Bahrsplate errichtet wurden. Dabei skizzierte er die verschiedenen Lagertypen und gab einen Überblick über die Lebens- und Arbeitsbedingungen, insbesondere der Häftlinge des KZ-Außenlagers.

Der Bau dieser Gefängniseinrichtungen begann mit einem Lager für Ostarbeiter, das ab April 1943 durch ein Lager für Kriegsgefangene ergänzt wurde. Zwischen beiden Bereichen befand sich ein Marinegemeinscheinschaftslager für die Wachmannschaften.

Ende August 1944 wurde schließlich noch zusätzlich eines der über 80 Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme auf der Bahrsplate errichtet.

Diese Häftlinge mussten für die AG Weser arbeiten, die damals Teil des Werftenkonzens Deutschen Schiffs- und Maschinenbau AG (Deschiag) war. Während ein Teil der Häftlinge täglich per Schiff zum etwa 10 km entfernten Werftgelände nach Gröpelingen transportiert wurde, arbeiteten andere in einer Maschinenhalle, die von der BWK angemietet worden war. Dort stellten sie Teile für die U-Boot-Produktion her.

Schließlich gab es seit November 1944 noch einen sogenannten Judenblock auf der Bahrsplate, wo ca. 200 Häftlinge vorwiegend deutscher und polnischer Herkunft untergebracht waren. 

Nachdem Anfang 1945 das KZ  durch Insassen aus Neuengamme stärker belegt wurde, waren ca. 1.000 Männer allein in dem KZ auf der Bahrsplate untergebracht, von denen zahlreiche Gefangene umkamen, als sie zu einem Todesmarsch in Richtung Bremervörder/Sandborstel aufbrechen mussten, um nicht von den vorrückenden alliierten Tuppen befreit zu werden.


Bürger gestalten eine Gedenkstätte  (Termin: 7.8.)

                                               Gedenkstätte auf der Bahrsplate



Auf Initiative der Friedensschule wurde für diese misshandelten und teilweise ermordeten Opfer der NS-Herrschaft eine Gedenkstätte konzipiert und errichtet.
Über die Einzelheiten berichtete Gerd Meyer, der die Friedensschule mitbegründet hat und diese Institution weiterhin prägt. 

Am Anfang der Konzipierung standen Gespräche mit Zeitzeugen, also vor allem ehemaligen Gefangenen. Für die praktische Umsetzung war der Kontakt mit Marzabotto von großer Bedeutung, der auf einen Besuch von Marzabottos Bürgermeister beim Bremer Bürgermeister Hans Koschnik im Jahre 1985, der Bremen für eine "Union der Märtyrer", einem Zusammenschluss von Städten werben wollte, die besonders von Kriegszerstörungen betroffen sind. Diese italienische Delegation besuchte auch das Bürgerhaus in Vegesack, woraus sich ein gegenseitiger Austausch von Besuchergruppen entwickelte, die sich für die Verbrechen während der NS-Zeit interessierten.

Die Bahrsplate hat allerdings als Gedenkstätte schon eine etwas längere Geschichte, da hier seit 1983 am Volkstrauertag an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erinnert wird. Dabei gedenkt man den Häftlinge in den Lagern des Faschismus und den nach 1945 und in der Gegenwart verfolgten und erniedrigten Menschen.

Gemeinsam mit Teilnehmern aus anderen Ländern, die während des Zweiten Weltkrieges von Kriegsverbrechen deutscher Besatzungstruppen und von Haft und Tod in NS-Lagern betroffen waren, wurde die Gedenkstätte dann bis 2009 schrittweise gestaltet. 

In diesem Rahmen schufen die Teilnehmer des 2. Workcamps Bremen - Marzabotto / Italien gemeinsam mit Jugendlichen aus Ungarn und Tschechoslowakei 1985 die Gedenkstätte 'Rosen für die Opfer'. Ihre Einweihung erfolgte im selben Jahr durch den ehemaligen Widerstandskämpfer Gustav Böhrnsen, den Vater des heutigen Bremer Bürgermeisters, und Georg Gumpert (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)).

Das letzte bestimmende Element der heutigen Gedenkstätte ist der "Stein der Hoffnung", der als ein Projekt des Schulzentrums Alwin-Lonke-Strasse im Ortsteil Burg-Gamke in Kooperation mit der Friedensschule im Jahr 2009 entstanden ist.

An der Einweihung dieser neu gestalteten Gedenkstätte "Rosen für die Opfer" auf der Bahrsplate, die am 4. November 2009 erfolgte, nahmen etwa einhundert Bürgerinnen und Bürger teil. Die Veranstaltung selbst wurde im Beisein des Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen von Nordbremer Künstler, Zeitzeugen und Schüler gestaltet. Zu den Besuchern zählten von der Internationalen Friedensschule Bremen geladene Gäste und ehemalige Lagerhäftlinge.



 
                                              "Stein der Hoffnung" auf der Bahrsplate


Stolpersteine in Bremen-Blumenthal mit anschl. Stadtrundgang (Termine: 14.8. und 26.8)



                                      Stolpersteine Lüder-Clüver-Straße 49

Einen besonderen Stellenwert innerhalb der Vortragsreihe erhielt Frau Ahlers für ihren Beitrag zu den Stolpersteinen in Blumenthal, da sie gleich an zwei Terminen vortragen konnte. Dabei sich Ende August ein Rundgang zu den Stolpersteinen an, sodass die Teilnehmer die Stolpersteine einmal ganz bewusst im Straßenraum wahrnehmen konnten.


Die Stolpersteine sind Teil eines Kunst- und Erinnerungsprojekt des Bildhauers und Aktionskünstlers Gunter Demnig, dessen Werk vom "Spurenlegen" geprägt ist. Das Projekt hat sich mit 40.000 Steinen im Juli 2013 in rund 820 deutschen und 200 ausländischen Städten zum weltweit größten dezentralen Mahnmal entwickelt.

Wie Frau Ahlers berichtete, sind in Blumenthal bisher 26 Messingsteine auf Fußwegen verlegt. Diese Hinweise auf den Fußwegen und Bürgersteigen können zu einer näheren Beschäftigung mit dem Schicksal der Menschen führen, auf die man auf diese Weise stößt. Dazu gibt es sehr detaillierte Informationen im Internet.

Allerdings kann das "Stolpern" nicht nur diesen Effekt haben. Wie Frau Ahlers vielmehr erklärte, ist kein Stein in Blumenthal bisher unbeschädigt geblieben. Manchen wurden sogar mutwillig zerstört und mussten deswegen ersetzt werden.

Da sich Frau Ahlers sehr intensiv mit den Einzelschicksalen der Menschen beschäftigt hat, auf deren Leben und Sterben die Stolpersteine hinweisen, konnte sich auch über das Leben der jüdischen Blumenthaler berichten. Danach erfolgte schon lange vor der Deportation und Ermordung eine Ausgrenzung. So wurden jüdische Geschäftsleute und Nachbarn beispielsweise von den übrigen Einwohnern nicht zu einer Tasse Kaffee oder einen eingeladen.

Diese extreme Segregation der jüdischen Mitbürger hat damals zu relativ häufigen Depressionen geführt, sodass eine Einweihung in ein Krankenhaus erfolgt. Häufig sind die Kranken dann nicht wieder nach Hause zurückgekehrt, sondern waren plötzlich an irgendeiner Krankheit verstorben.



                       Stolpersteine Lüder-Clüver-Str. 26 (Familien Cobliner, Hahn und Levy)



Bau des Tanklagers: Zweck, Hintergründe und Folgen (Termin: 19.8.)



    Vortrag von Dipl.-Ing. Olaf Rehnisch (Quelle: Förderverein)


Die Bürgerinitiative "Bürgerinitiative zur Erhaltung des Wasserschutzgebietes Blumenthal und Aufklärung der Verseuchung von Grund, Wasser und Boden durch das Tanklager Farge" oder kurz Bürgerinitiative Tanklager Farge, in der sich vor allem Anwohner des Tanklagers Farge organisiert haben, die von einer Kontaminationsfahne mit den giftigen und teilweise karzinogenen Kohlenwasserstoffen BTEX und MTBE betroffen sind. So soll auf zahlreichen Grundstücken kein Brunnenwasser benutzt werden. Auch lässt sich ein erhöhtes Risiko für Leukämieerkrankungen in den angrenzenden Ortsteilen Farge und Rönnebeck nicht ausschließen. Durch diese Belastungen sind Immobilien in der Nähe des Tanagers gegenwärtig bestenfalls schwer verkäuflich, sodass die Preise für gehandelte Grundstücke in diesem Bereich deutlich gefallen sind.


Während die Wirkungen der Kontamination weitgehend bekannt sind, liegt ihre Entstehung weitgehend im Dunklen. Dazu hat nicht zuletzt die militärische Geheimhaltung beigetragen, die für dieses Areal seit dem Tanklagerbau gegolten hat. So ist die Betriebsgenehmigung weiterhin nicht öffentlich zugänglich und die Sicherheitsstandards, die beim Bau und der späteren Modernisierung des Tanklagers angewandt wurden, mussten von der Bügerinitiative erst mühsam ermittelt werden.

Ergebnisse dieser 1 1/2 jährigen Recherche konnte der Dipl-Ing. Olaf Rehnisch in seiner Präsentation vortragen, der sich als stellvertretender Vorsitzender vor allem mit den Berichten und Gutachten zur Situation der Kontaminationen beschäftigt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Kontamination hat er sich auch mit dem Bau des Tanklager in de NS-Zeit beschäftigt, bei dem auch zahlreiche Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.

Nach Informationen, die bereits von Manfred Tegge zusammengestellt wurden, hat das Reichswirtschaftsministerium am 24. August 1934 die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH (WiFo) eine Tarnfirma mit militärischem Auftrag gegründet, deren wichtigste Aufgabe der Bau und Betrieb von Groß- und Zwischentanklagern für die Wehrmacht war. Die Tätigkeiten umfassten den Umschlag und die Einlagerung von Mineralölprodukten sowie die Mischung verschiedener Treibstoffe.

Das Areal im WiFo-Wald, wie es häufig genannt wird, wurde aufgrund seiner Verkehrsanbindung gewählt. So konnten hier die Treibstoffe sowohl über die Weser als auch über die bereits vorhandene Eisenbahnstrecke von Vegesack nach Farge transportiert werden.


Der Bau in Farge begann 1935 unter dem Tarnnamen "Wasserberg". Ursprünglich war eine Fläche von rund 600 ha vorgesehen, um eine große Reserve für spätere Erweiterungen zu besitzen.

Das Tanklager selbst besteht aus 15 Blocks, die jeweils fünf liegende 50 m langen Stahlzylindern mit einem Durchmesser von 10 m umfassen. Jeder Einzeltanks besitzt damit ein Fassungsvermögen von 4.000 m³ Diese unterirdischen Tanks werden durch massiven Beton umschlossen, der mit Erde überdeckt ist. 

Neben diese Anlage mit einem Fassungsvermögen von rund 300.000 m³ wurden auf dem Gelände zwei Verladebahnhöfe für Eisenbahnkesselwagen, ein umfassendes Rohrleitungsnetz mit den entsprechenden Pumpstationen und eine Mischanlage für die Herstellung von Kraftstoff aus synthetischen Vorprodukten errichtet. 

Zu ihr gehört eine weitere Behältergruppe mit 20.000 m³ Fassungsvermögen. In deren fünf Tanks wurden die einzelnen Mischvorgänge durchgeführt. Die mögliche Produktionsleistung der Anlage betrug 2.250 t Fertigware pro Tag.  

Dazu kamen Verwaltungs-, Betriebs- und Sozialgebäude, Einrichtungen für die Stromversorgung und Feuerlöschanlagen.

Außerhalb des Kerngeländes wurden direkt an der Weser zwei Verladebrücken für Tankschiffe gebaut, die über Pipelines mit dem Tanklager verbunden sind. Auch wurde die Strecke der Farge-Vegesacker Eisenbahn für die Zwecke des Tanklage erweitert.


Die Bauausführung am Wifo-Tanklager erfolgte durch die  Gottlieb Tesch GmbH, die für die Unterbringung ihrer Arbeitskräfte am Westrand des Depots das "Lager Tesch" errichtete. Nach er Annexion Tschechiens kamen ab 1938 auch tschechische Fremdarbeiter hinzu. Ab 1941 folgten zahlreiche Kriegsgefangene der Roten Armee und 1942 schließlich eine größere Gruppe polnischer Zwangsarbeiter. 

Die Bewachung der Anlage und der Arbeiter führte damals die SS durch.

Das Wifo-Tanklager wurde ab 1941 schrittweise in Betrieb genommen. Die Bauarbeiten fanden Ende des Jahres 1943 vorerst ihren Abschluss. 

Über die Kriegszerstörungen des Tanklager gibt es keine gesicherten und veröffentlichen Informationen. So sollen einerseits bei mehrfachen Bombardierungen "lediglich" zwei Tanks der Mischanlage und einige Betriebsanlagen dabei beschädigt worden sein, während andererseits durch die Bombenangriffe Ende März 1945 nicht nur einer der Tanks zerstört, sondern auch das unterirdische Rohrleitungssystem getroffen worden sein soll.

Was auch immer damals beschädigt und in den Boden und das Grundwasser gelangt sein mag, dürfte nicht erklären, dass über 60 Jahre später Grundstückseigentümer in einigen Straßen Farges und Rönnebecks vor dem Gebrauch ihres Brunnenwassers gewarnt werden mussten, weil sich die Kontaminationsfahne über die Grenzen des Lagerareals hinweg in Richtung Weser ausgebreitet hat. Die tatsächliche Verursachung ist bis heute unbekannt und wird auch nicht weiter untersucht, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen eingestellt hat, da sie von einer Verjährung möglicher Straftatbestände ausgeht.



                             Poster der Bürgerinitiative "Tanklager Farge" zur Geschichte in der NS-Zeit


Johann Seubert und der Bunker Valentin. Bilder der Baustelle 
(Termin: 21.8)


                                      Vortrag von Dr. Marcus Meyer (Quelle: Förderverein)


Der Blumenthaler Fotograf Johann oder Jonny Seubert, wie er sich selbst 1937 nannte, hat nicht nur 1937 einen Film über einen Tag in der BWK gedreht, sondern einige Jahre später einen weiteren Dokumentarfilm über den Bau des Bunkers Valentin. Auftraggeber war in der Endphase des Zweiten Weltkrieges die Reichsmarine.


In seinem Vortrag behandelte Dr. Marcus Meyer, der wissenschaftlicher Leiter des Denkortes Bunker Valentin, in seinem Vortrag daher nicht nur den 80 minütigen Film und die über tausend Fotos, die de Baustelle des Bunkers zeigen. 

Vielmehr hat sich zunächst mit dem Filmemacher und seiner Stellung innerhalb des NS-System beschäftigt, um dann vor allem auch der Frage nachzugehen, was der Film aufgrund seines Auftraggeber nicht zeigt.

Die Bedeutung dieses Ansatzes stellte Der Referent gleich zu Beginn seines Vortrages heraus, indem er verdeutliche, dass Bilder immer nur einen Teil der Wahrheit zeigen. Das traf, wie später an Beispielen veranschaulicht wurde, auch auf den Film zu, der einem Auftrag folgte und daher nach diesen Erwartungen gedreht wurde. Um also ein vollständiges Bild vom Bau des Bunkers zu erhalten, das auch die Fassetten zeigt, die der Auftraggeber vermutlich keinem größeren Publikum zeigen wollte, ist es daher genau so wichtig, das zu analysieren und interpretieren, was nicht gezeigt wird. 

Daher folgte eine kurze Biografie von Johann Seubert während der NS-Zeit. Er stammt aus einer in Blumenthal bekannten Fotografenfamilie, trat am 1. Mai der NSDAP und arbeitete als Kreis-Bildberichterstatter. Danach erhielt er eine Reihe von Aufträgen durch die Partei, indem er lokale Parteiereignisse wie Parteitage dokumentiert hat, da das NS-Regine generell visuellen Reizen und dem neuen Medium Film eine große Wirkung auf Zuschauer beimaß. Seine Parteitreue bis in die Zeit des Totalen Krieges, als der Bevölkerung in den zerbombten deutschen Städten ein Endsieg durch Wunderwaffen versprochen wurde, beweist eine ganz besondere Auszeichnung. Er wurde dazu abkommandiert, einen Besuch des Großadmiral Dönitz am 22. April 1944 auf der Bunkerbaustelle in Rekum zu filmen. 

Offenbar fiel diese Arbeit so überzeugend aus, dass Johann Seubert zwischen Mai und Dezember 1944 die Bauarbeiten für den Bunker filmen und fotografieren sollte.

Ziel seiner Arbeit war es dabei, "die Größe der Bunker-Baustelle darzustellen", wie es Marcus Meyer zusammenfasste, sodass eine bei ihm sehr beliebte Bildtotale den Gigantismus des NS-Rüstungsprojektes in den Mittelpunkt stellt, hinter dem die Arbeiter verschwinden. Das galt auch für sein Foto vom eigentlichen Baubeginn, der am 2. Juli 1944 erfolgt.

Wenn man auf die Details im Film achtet, wird für jeden Zuschauer ein zentrales Auswahlprinzip für seine Motive  deutlich: Der Filmemacher und Fotograf richtete seine Kameralinse nur auf das, was seine Auftraggeber interessierte. Das waren die technischen Prozesse und Arbeitsabläufe auf der Baustelle, die eine funktionsfähige Großbaustelle auch während es Bombenkrieges zeigen sollten.

Dabei spielten dann die Arbeiter, die diese Leistung überhaupt erst ermöglichten und schon gar nicht die Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge oder gar russischen Kriegsgefangenen keine Rolle. Bestenfalls wurden die deutschen Ingenieure als „Herren über die Baustelle“ in Szene gesetzt, wie es der Referent ausdrückte.

Doch was wurde im Einzeln gar nicht gezeigt oder völlig an den Rand gedrängt. Für Marcus Myer sind es mögliche Gewaltszenen. So tauchen die Wachleute in der Regel nur sehr versteckt auf und nur ein einziges Mal ist überhaupt ein Soldat zu sehen, der einem Häftling Befehle erteilt. 


Generell waren für den Filmemacher die Häftlinge ohnehin nicht als Individuen, sondern nur als Teil des Arbeitsprozesses auf der Baustelle interessant, sodass sie auch der heutige Betrachter nur als kleine Rädchen in einer gigantischen Maschinerie wahrnimmt.

Auch ein kritischer Zuschauer, der auf einigen Aufnahmen vom Sommer 1944 relativ gut genährte und sauber gekleidete Häftlinge sieht, erhält so den Einruck, dass es auf der Baustelle gar nicht so schlimm zugegangen sein kann.

Gerade dadurch vermittelt der Film, wie der Referent betonte, nur einen Teil der Wahrheit, da er die ganz besonderen Rahmenbedingungen während de Drehtage völlig ausblendet. In dieser Zeit waren gerade neue Häftlinge aus  Neuengamme auf der Baustelle eingetroffen, und die anderen Häftlinge hatten im Sommer 1944 auf Anraten eines Gutachtens für kurze Zeit mehr zu essen bekommen, damit sie arbeitsfähig blieben. Man kann also nur ein vollständiges Bild von der Baustelle und den Arbeits- und Lebensbedingungen aller Arbeiter erhalten, wenn man Erinnerungen ehemaliger Häftlinge und andere zeitgeschichtlicher Dokumente hinzuzieht.

Für Marcus Meyer mögen so dieser Film und die Fotos eine „technische Meisterleistung“ sein, vielleicht kann man das sogar noch ergänzen und ihnen sogar in einem formalen Sinn einen künstlerischen Wert zusprechen, aber das muss erheblich relativiert werden, wenn man ethische und humanistische Kriterien anlegt. Dann handelt es sich in erster Linie um eine fotografisch gekonnte Auftragsarbeit für das NS-Regime, die für Propagandazwecke verwendet werden sollte.



                                   Informationstafel zum Denkort "Bunker Valentin"



Hungern für Hitler – Polnische Zwangsarbeiter in Blumenthal 1940 bis 1945 (Termin: 25.8.)



                                             Cover des Buchs "Hungern für Hitler"




Der emertierte Bremer Professor für Rechts- und Sozialgeschichte Christoph Schminck-Gustavus, der vor allem durch seine Arbeiten über die rechtliche Situation von Zwanasarbeiren bekannt geworden ist, hat sich auch speziell mit jungen Polen beschäftigt, die bei der BWK arbeiten mussten. Die persönlichen Gespräche mit diesen unmittelbar Betroffenen, die er Anfang der 1980-er Jahre in deren Heimat führt und in dem Buch "Hungern für Hitler veröffentlicht hat, waren die Grundlage seines Vortrages in Blumenthal.

Das Schicksal des jungen Polen Adam Tomkiewicz, den man mit 14 Jahren zur Arbeit bei der BWK gebracht hatte, bildete daher ein wichtiger Teil der Präsentation, da er aus seiner Zeit bei der BWK Fotos, Quittungen und Bescheinigungen gesmalelt und mit nach olen genommen hatte, die der Referent bei seinem Besuch in Gdansk, also dem früheren Danzig, fotografiert hatte.

Die Erinnerungen Anfang der 1980-er Jahre kreisten dabei vor allem um das Wohnhaus, in dem die polnischen Zwangsarbeiter in Blumenthal untergebracht worden waren. Sie hatten es Betlejemka genannt, was Bethlemhäuschen bedeutet. Dort hatte der junge Adam eine Großfamilie erlebt, in der es mit Femi Ciagwa eine mütterliche Heimleiterin, und einen älteren Polen als „Beschützer“ gab.

Der Name für das Haus in unmittelbarer Nähe der BWK war den vermutlich stark religiös geprägten Polen offenbar an die Krippenszene in der Weihnachtsgeschichte bei Lukas erinnert. In einer fremden, unwirtlichen Umgebung gab es so etwa wie eine schützende Familie.

In der Außenwelt regierten hingegen die harten Gesetze für die Fremdarbeiter. So mussten die Polen deutlich sichtbar auf der linken Brust ein „P“ für Pole tragen, da die Fremdarbeiter entsprechen ihrer Herkunft oder „Rasse“, wie sie von der NA-Ideologie festgelegt war, unterschiedlich behandelt wurden. Bei einem Verstoß war eine Geldstrafe zu zahlen, wie eine aufbewahrte Quittung dokumentierte.

Insgesamt war es für Herrn Schminck-Gustavus jedoch schwierig, Auskünfte über das tatsächliche Geschehen in jener Zeit zu erhalten. Das galt sowohl für die beteiligten Polen als auch Deutschen, wenn auch aus vermutlich sehr unterschiedlichen Gründen. So fasste ein zweiter Interviewpartner, der in der BWK gearbeitet hatte, seine Haltung in dem Satz „Wer wird sich megen erinnern?“ zusammen.

Das erklärt auch eine Reihe widersprüchlicher Aussagen über tatsächlichen Vorgänge. Relativ sicher ist es, dass man in der Regel von Zwangsarbeitern sprechen muss. Das zeigt die Rekrutierung der polnischen Schüler. Als nach dem Blitzsieg über die polnische Armee die Schulen wieder eröffnet wurden, hatten die Schüler keine Wahl. Ab der Klasse 5 wurde alle Schüler zur Zwangsarbeit nach Deutschland abtransportiert, während die jüngeren noch etwas mehr lernen durften.

Kontrovers sind die Aussagen über die Entlohnung und die Frage, was in der BWK alles die Schaf- und Zellwolle ersetzen musste, als die Rohstoffversorgung einbrach. Die polnischen Zwangsarbeiter wollen die Verarbeitung von Menschenhaaren beobachtet haben, was von den deutschen Befragten bei der BWK bestritten wird. Für die polnische Version spricht nach der Einschätzung des Referenten, dass sie in den Haaren versteckte kleine Goldmünzen gesehen haben wollen, wie es ein Sitte bei Sinti und Roma ist.

Auch wenn Herr Schminck-Gustavus nicht gezielt der Frage nach der Entlohnung nachgegangen ist, nimmt er an, dass den polnischen Zwangsarbeitern praktisch kein Bargeld ausgezahlt wurde. Offenbar ist der Betrag, der auf dem Papier stand, für das Leben im Wohnheim und Strafen oder Ähnliches verrechnet worden. Es gab jedenfalls keine Geldscheine oder gekaufte Waren unter Adams Erinnerungstücken an seine Arbeit bei der BWK.

Auch wenn die Schilderungen der menschlichen Schicksale der Zwangsarbeiter zu einem bedrückten Nachdenken bei den Zuhörern und Zusehern führte, was durch die vom Referenten in diesen Situationen eingesetzten musikalischen Zwischenspiele noch verstärkt wurde, fanden die Vortragsbesucher trotz dieser emotionalen Belastung viele positive Worte zum Vortrag und der speziellen Präsentation. So regte der als als „spannend“ empfundenen Vortrag, der auch viele zeitgeschichtliche Bezüge und Einblicke in die Arbeitsweise von Herrn Schminck-Gustavus enthielt, noch zu langen Gesprächen unter den Teilnehmern dieser Veranstaltung des Fördervereins Kämmereimuseum an.

Prof.Schminck-Gustavus während des Vortrags (Quelle: Förderverein)


Erinnerungskultur – warum und zu welchem Zweck (Termin: 28.8.)

Einen erstes Resümee der Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit und generell der Bedeutung einer Aufarbeitung von Geschichte für die jeweilige Gegenwart versuchte Dr. Heinz-Gerd Hofschen, der vor seiner Pensionierung Leiter der Abteilung Stadtteilgeschichte im Focke-Museum war.
Daher setzte er sich in seinem Vortrag mit dem Titel "Erinnerungskultur - warum und zu welchem Zweck?" mit den zahlreichen historischer Ausstellungen und die Fernsehprogrammen auseinader, in denen nit zuletzt die Nazi-Zeit in geradezu unendlicher Form thematisiert wird.

Diese Vielfalt verlangt für ihn als Orientierungshilfe ein aktives Geschichtsbewusstein, das uns befhigt, aus den Erfahrungen der Vergangenhet zu lerenne, die Zukunft zu gestalten. 

Mit seinem weiteren ortrag verfolgte er daher das Ziel, diese Fhigkeit zu erlangen. Auch wenn der praktische Erfolg des Versuchs keineswegs gescher tist, hielt der Refeent in Anlehnung an den Poltikwissenschafter Wolfgang Abendroth dessen Aussage "Zumindest kann man aus der Geschichte lernen, was man besser nicht machen sollte" für einen Grundsatz, der handlungsleitend sein müsste.

Mit welchen Schwerigkeiten dieser Lrnrozesse verbunde ist, zeigte Heinz-gerd Hofschen an Rezeption de NS-Vergangenheit in der deutschen Nachkriegsgeschictte auf. Damals gab es zunächst eine kurze Phase der
 Aufarbeitung, in der die Nazi-Herrschaft vor allem als ein Resultat des kapitalistischen Wirtschaftssystems betrachtet wurde, wobei auf die frühe Unterstützung Hitlers und der NSDAP durch Großunternehmen hingewiesen wurde. Gleichzeitig sah man in der Zerschlagung der Gewerkschaften das Mittel, durch das die Nazis ihre Macht zementieren konnten.


Als mi dem Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik die sozialistischen und marxistischen Positionen an Boden verloren, wurde die Nazi-Herrschaft als Werk einzelner gesehen, "die über die Deutschen gekommen seien wie die Marsmenschen“. So karikierte zumindest der Referent diesen Interpretationsversuch.

Einen Grund für diesen Wandel sah  Heinz-Gerd Hofschen in dem Fortbestehen alter personeller Strukturen, da in der jungen Bundesrepublik fast die gesamten NS-Eliten in Justiz und Verwaltung übernommen wurden.

Ein grundlegender Wandel im Umgang mit der NS-Vergangenheit ist für ihn erst Anfang der 60-er Jahre im Zuge der Frankfurter Auschwitzprozesse  eingetreten, als eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Ursachen des Faschismus einsetzte. Die war gleichzeitig mit einer pazifistischen Grundeinstellung in Deutschland verbunden.


Das hat sich inzwischen wieder sehr deutlich geändert, wobei der Referent auf die Entscheidung des Bundestages über Waffenlieferungen in den Irak gerade am 1. September hinwies, also dem 75. Jahrestag es Beginns des Zweiten Weltkrieges. 

Neben diesem "zutiefst geschichstvergessenen" Beschluss sieht Heinz-Gerd Hofschen in der Trivialisierung der NS-Zeit in manchen Fersehdokumentationen eine weitere Gefahr, wenn auf diese Weise gar nichts oder sogar etwas Falsches aus der Geschichte gelernt wird.

Damit kann man in diesem Vortrag ein überzeugendes Plädoyer für die Notwendigkeit einer Veranstaltung sehen, wie sie der Förderverein Kämmereimuseum durchgeführt hat.

Vom Runden Tisch "Geschichtslehrpfad Lagerstr." zum Denkort Bunker Valentin (Termin 29.8.)



                                         Informationstafel am Geschichtslehrpfad


Einen eher praktischen Kontrapunkt zu dieser Beschäftigung mit einer Erinnerungskultur setzte der abschließende Vortrag, denn Dr. Rolf-Dieter von Bargen, der Vorsitzende des Vereins „Dokumentations- und Gedenkstätte Geschichtslehrpfad Lagerstraße/U-Boot-Bunker Valentin" schilderte am Beispiel des Geschichtslehrpfades, wie ein Runder Tisch von interessierten Bürgern und Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung zum heutigen Denkort Bunker Valentin geführt hat. 

Der Anstoß zu einer realen Erinnerungskultur ging in Rekum, Farge und Schwaneweder nicht von den hier sichtbaren und räumlich konzentrierten Relikten aus der NS-Vergangenheit aus, sondern von einem damals ganz aktuellen Vorhaben der Stadtplanung. Ende 1992 wollten die Wirtschaftsbehörde und das Bauressort erneut, nachdem erste Vorstöße mehr oder weniger im Sande verlaufen waren, eine von früher 12 auf jetzt 21 ha vergrößerte Gewerbefläche ausweisen. Als Protest gegen diesen geplanten Eingriff in eine noch ländlich geprägte Region am Bremer Stadtrand bildete sich die „Initiative Farge-Rekum“, in der sich Lokalpolitiker, Vertreter der örtlichen Vereine und Bürger zusammenschlossen, die durch die Planänderung direkt betroffen waren.

Auf zwei Einwohnerversammlungen im November 1993 und im Juli 1994 wurde die Initiative beauftragt, sachliche Gründe gegen das geplante Gewerbegebiet und gegen einen neu geplanten Windpark bei den beteiligen Ressorts geltend zu machen.

Ein gewichtiges Argument für eine Ablehnung der Planung fand man in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit des ausgewiesenen Geländes, zu dem die Lagerstraße gehört, die mit dem Leidensweg der beim Bunkerbau eingesetzten Zwangsarbeiter untrennbar verbunden ist.

Dieses Argument zeigte nicht nur bei den Behörden Wirkung, sondern sensibilisierte auch die Mitglieder der Initiative für das Geschehen in ihrer Heimat während der NS-Zeit. Viele Mitglieder sahen sich daher 
in der Pflicht, sich intensiv mit der tragischen Entstehungsgeschichte des Bunkers zu befassen. Daher nahmen sie Kontakt zu ihnen bekannten Sachkennern der NS- Zeit auf, die sie zu einem Runden Tisch einluden.

Als diese informelle Einrichtung den erörterten Vorhaben nicht mehr entsprach, zumal die Aktivitäten auch 
überörtlich und überregional wahrgenommen wurden, wo man feste Ansprechpartner erwartete, suchten die Diskutanten des Rundes Tisches eine neue geeignetere Organisationsform. 

So kam es am 11. Oktober 1999 zur Gründung des Vereins „Dokumentations- und Gedenkstätte Geschichtslehrpfad Lagerstraße/U-Boot-Bunker Valentin e. V.“, nachdem man bereits am 18. April dieses Jahres die Ausstellung „Leidensweg Lagerstraße“ eröffnet hatte.

Diese Ausstellung wurde zwischen April 1999 und 2004 in Vegesack und verschiedenen Standorten der Bremer Innenstadt sowie zuletzt im Bremer Rathaus gezeigt. Jetzt kann sie als Dauerausstellung in der Baracke 27 jeder Teilnehmer besuchen, der eine Führung auf dem Geschichtspfad mitgemacht hat.


Seit Frühjahr 1999 bemühte sich der vorgesehene Verein bereits um einen Erwerb dieser Baracke 27, die ihm von der Standortverwaltung Schwanewede als zentraler Ort für die Vereinsaktivitäten angeboten wurde. Obwohl man gleich zu Beginn der Verhandlungen einen Schlüssel zum Gebäude erhielt, konnte die Baracke erst durch einen am 7.10.2004 unterschriebenen Kaufvertrag erworben werden, sodass sie auch durch den Verein restauriert werden kann.

Ergänzend zur Ausstellung entwickelte der Verein sein Konzept von einer Gedenkstätte im Sinne von begehbarer Geschichte. Dabei betrachtete man den Bunker, die Lagerstraße und die ehemaligen Lager als Hauptelemente, die durch einen Geschichtslehrpfad verbunden werden sollten.

Dieser Weg, der vorwiegend über den Standortübungsplatz der Bundeswehr verläuft und daher nur an den Wochenenden frei begangen werden kann, wird durch Stelen markiert. Auf ihnen können sich auch zufällige Passanten oder Interessierte, die nicht an einer Gruppenführung des Vereins teilnehme können oder wollen, über das ganz lokale Geschehen in den letzten Jahren der NS-Diktatur informieren.

Die erste dieser Steelen wurde am 27. Januar 2002 am Ort des Massengrabes, wo 768 tote ehemalige Insassen aus den umliegenden Lagern verschart wurden, durch den damaligen ersten Bürgermeister Henning Scherf der Öffentlichkeit übergeben. Gut sechs Jahre später folgte dann die fünfte und letzte Stele auf dem südwestlichen Teil des Standortübungsplatzes Schwanewede.

Hier folgt Teil 3: Fotoausstellung

BWK: Ausstellung 1

Der Förderverein Kämmereimuseum bemüht sich um ein neues Image für Blumenthal



Ein Rückblick auf die Veranstaltungsreihe zur BWK in der NS-Zeit 


(Vorläufige Fassung, da noch Informationsanfragen ausstehen)


                                Titelseite der ersten Sonderausgabe der Einblicke



Zwischen dem 5. und 30. August 2014 veranstaltete der Förderverein Kämmereimuseum in der alten Blumenthaler Stadtbibliothek eine Fotoausstellung und eine Vortragsreihe zum Thema "Die Bremer Woll-Kämmerei in der Zeit des Nationalsozialismus". Beides war nicht zuletzt in dieser thematischen Kombination etwas ganz Neues für den Stadtteil. 

Dieser innovative Charakter macht auf die Details und nicht zuletzt die Resonanz neugierig. Daher soll im Folgenden eine nähere Betrachtung und Bewertung versucht werden, wobei nicht zuletzt auch an weitere Impulse für die Entwicklung Blumenthals zu denken ist, wenn der Förderverein bessere Rahmenbedingungen für seine vielfältigen Aktivitäten erhält.



Das Gesamtkonzept der Veranstaltung


Die Veranstaltungsreihe "Die Bremer Woll-Kämmerei in der Zeit des Nationalsozialismus" lässt sich nicht ohne Weiteres in eine Schublade packen, sodass man sie leicht zuordnen kann hat. Das ist eine Folge ihrer Zielsetzungen und einer politischen Diskussion im Stadtteil Blumenthal.

Relativ einfach lassen sich die Möglichkeiten des Veranstalters, also des Fördervereins Kämmereimuseum unter seinem Vorsitzenden Detlef Gorn beschreiben, der sein Amt nicht nur administrativ versteht, sondern gerade bei dieser Veranstaltung zugleich wichtigster Initiator, Organisator und  Motivator war. 

Auch wenn ihm ein Team von Vereinsmitgliedern zur Seite stand, begrenzten die vorhandenen Ressourcen die Gestaltungsmöglichkeiten. Das gilt vor allem dann, wenn man sie an dem fotografischen Fundus misst, auf den der Verein zurückgreifen kann. Hierzu gehören einerseits die zahlreichen Privatfotos, die dem Verein vor allem von ehemaligen Mitarbeitern der BWK und ihren Angehörigen angeboten werden. Andererseits handelt es sich um das professionelle Material, das ein Werksfotograf der Wollkämmerei sowie eine sehr aktive Fotogruppe aufgenommen haben.

Dieses Material liegt gerade auch für die zwölf Jahre der NS-Herrschaft in Blumenthal vor.

Aber das allein war noch kein Grund, gerade über diese Zeit jetzt eine Veranstaltung in einer ganz besonderen Form zu organisieren. Hierzu muss man auch ein Detail der jüngeren politischen Diskussion vor allem im Blumenthaler Beirat und im Ortsamt kennen. Dort hatte die Mehrheit besondere Feierlichkeiten beschlossen, um den 75. Jahrestag des Anschlusses Blumenthals an Bremen zu begehen. Dazu wollte man von Bremen eine finanzielle Zuwendung erhalten, um die Veranstaltungen professionell zu organisieren und die Infrastruktur auf der Bahrsplate auszubauen.

Dieses Vorhaben stieß vor allem außerhalb von Blumenthal auf heftige Kritik. So wurde dem Beirat eine Entscheidung ohne menschliches Einfühlungsvermögen und historische Urteilskraft vorgeworfen, da während der NS-Zeit auf der Bahrsplate ein KZ bestanden hat. Auch stellten Kritiker die Frage, ob man eine Entscheidung, die ohne demokratische Legitimation durch eine Unterschrift Hitlers aufgrund des Ermächtigungsgesetzes erfolgte, Anlass für ein Volksfest sein sollte.



                            Artikel in "Bild" zur Entscheidung des Blumenthaler Beirats


Daher wollte der Förderverein jetzt zeigen, dass Blumenthal entgegen einigen Presseberichten vom Anfang des vorigen Jahres, die Überlegungen zum 75. Jubiläum des Anschlusses an Bremen aufgegriffen haben, seiner NS-Vergangenheit keineswegs naiv und unkritisch gegenübersteht.   

Als Veranstaltungsraum konnte der Förderverein für den August die alte Blumenthaler Bibliothek nutzen, in der heute zwei Künstler arbeiten. Damit ließ sich an eine Tradition anknüpfen, als hier bekannte Autoren wie Marion Gräfin DönhoffManfred HausmannGolo MannCarlo Schmid und Helmut Thielicke ein aufmerksames Publikum mit ihren damals heiß diskutierten Themen vertraut machten.

Mehr als drei Jahrzehnte später bestand hier jetzt die Möglichkeit, sowohl die Fotos auszustellen als auch in acht Vorträgen die zwölf Jahre der NS-Herrschaft aufzuarbeiten. Diese Vorträge behandelten sowohl die Blumenthaler NS-Relikte wie die NS-Lager, den Bunker Valentin, das Wifo-Tanklager und die Stolpersteine als auch speziell die Situation der polnischen Zwangsarbeiter bei der BWK, über die Prof. Schminck-Gustavus referierte.

Diese Chance ergab sich, da Ulla Deetz und Peter KF Krueger während der Urlaubszeit im August ihr großräumiges Arbeitsatelier zur freien Verfügung gestellt haben. Der Förderverein konnte hier also unmittelbar neben dem Rathaus und dem Marktplatz Mieter und Gast der beiden Künstler sein.

Eine Veranstaltung dieser Art erfordert jedoch neben dem Konzept nicht nur Fotos, Räumlichkeiten und Referenten. Sie muss auch potenziellen Besuchern bekannt gemacht werden. Dazu dienten neben den guten Beziehungen, die der Förderverein und sein Vorsitzender zur lokalen Presse besitzen, auch das vereinsinterne Mitteilungsmagazin "Einblicke".

Eine erste Sonderausgabe wurde per Mail an über 150 Vereinsmitglieder, Journalisten und Zeitungen sowie Freunde des Fördervereins verschickt. Darin findet man neben dem Programm einen kurzen Abschnitt aus dem Blogartikel "Die Bremer Woll-Kämmerei während der NS-Zeit. Zwölf Jahre aus der Sicht der Geschäftsberichte und der Wirtschaftspresse" einschließlich der Chronologie. Den Abschluss bildet die Eröffnungsrede des Vereinsvorsitzenden, sodass sich hier jeder informieren kann, der am Nachmittag der Eröffnung verhindert war.

Eine zweite Sonderausgabe vom 25.8. erinnerte schließlich an die letzten vier Vortragstermine, indem die Themen kurz vorgestellt wurden. Eine weitere herzliche Einladung fehlte selbstverständlich ebenfalls nicht.

Ein besonderes Gewicht erhielt die Veranstaltung durch eine Beteiligung des Bremer Bürgermeisters und Kultursenators Jens Böhrnsen, der die Schirmherrschaft übernahm. Damit demonstrierte er erneut sein Interesse am Schicksal der BWK und der Arbeit des Fördervereins, wie er es bereits vor gut einem Jahr gezeigt hat. Damals richtete er am 13. April anlässl
ich des 130. Gründungstages der BWK Grußworte an die geladenen Ehrengäste.


Die Eröffnung am 5. August 2014


Damit sind die Rahmenbedingungen und Vorüberlegungen skizziert. Es fehlte nur noch das Wichtigste: die Umsetzung durch das Team des Fördervereins und dann die Freigabe für die Öffentlichkeit.


Am 5. August, einem Dienstag, begrüßte Detlef Gorn als Vorsitzender des Fördervereins Kämmereimuseum im Anschluss an einen Eröffnungsempfang um 13.30 die Gäste, wobei er Christian Weber, den Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft, besonders ansprach.

In seiner Rede konfrontierte er die aktuelle Präsens der Weltkriege und des NS-Staates in den Medien mit einem gleichzeitig ermittelten geringen Wissen über wichtige Ereignisse der NS-Zeit. So hatte gerade der Weser-Kurier berichtet, dass n
ach einer jüngst veröffentlichen Umfrage nicht einmal die Hälfte der Deutschen weiß, was am 20. Juli 1944 geschah.

Damit war die Bedeutung der Themen der Vortragsreihe angesprochen, die er skizzierte, wobei er auch die Referenten kurz vorstellte.

In einem zweien Teil seines Vortrages erläuterte Detlef Gorn das Programm, dass die Besucher am Eröffnungstag im Anschluss an die Begrüßungen erwartete. Dabei ging er auf das umfangreiche Bild- und Filmmaterial der BWK ein, das für ihn "etwas ganz Einmaliges, etwas ganz historisch Wertvolles in Blumenthal" ist, weil sich hierin ein Industrieunternehmen von Weltrang in der NS-Zeit quasi selbst dokumentiert hat. 

Zu dieser Selbstdokumentation zählte der Vereinsvorsitzende einen einstündigen Film von 1937, in dem der damals junge Kreisfilmberichterstatter der NSDAP, Jonny Seubert, mit der BWK das größte Unternehmen seiner Heimatstadt Blumenthal in Schwarz-weiß-Bildern festgehalten hat. Sein Stil wurde von Radio Bremen mit dem von Leni Riefenstahl verglichen, wobei vermutlich an die idealisierte Darstellung von Kraft, Eleganz und Macht anhand muskulöser Körper oder mobiler Menschenmassen zu denken ist.

Eine Kopie dieses BWK-Films hat der Förderverein mit aktuellen Bildaufnahmen, die den heutigen Blumenthalern eine leichtere Orientierung und Zuordnung der Gebäude und Straßen ermöglichen, und mit Zeitzeugenaussagen hinterlegt.


Aber auch der Kern der Veranstaltung, die Fotoausstellung, wurde, in der Eröffnungsrede nicht vergessen. Wie Detlef Gorn erklärte, wurden aus dem
umfangreichen Fundus des Fördervereins für die Ausstellung etwa 150 Fotos ausgewählt und nach 5 Themenschwerpunkte geordnet. 


Da diese Bilder für den Vorsitzenden des Fördervereins "selbstsprechend sind", bedurften sie seiner Meinung nach keiner weiteren Erläuterung. Die erstmals einer breiten Öffentlichkeit gezeigten historischen Bilder sollten daher ohne spezielle Anmerkungen oder Untertitelungen den Besuchern zeigen, "wie ein riesiges Industrieunternehmen von der NS-Ideologie vereinnahmt und missbraucht wurde."

Durch die Ausstellung sollte jedoch nicht nur der "der heutigen und der zukünftigen Generation" gezeigt werden, "was in Bremen-Nord passiert ist". Der Förderverein hat sich von der Präsentation des Materials auch versprochen, dass noch lebende Zeitzeugen ihre Erinnerungen mitteilen, sodass sie die bereits bestehende Sammlung an Augenzeugenberichten ergänzen.


                               Publikum während der Eröffnung (Quelle: Förderverein)

 

Abschließend folgten in diesem Eröffnungsteil die Begrüßungen durch Peter Nowack, den Blumenhaler Ortsamtsleiter und Vorsitzenden des Sponsors "Förderverein Bürgerstiftung Blumenthal", sowie durch Christian Weber, den Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft.


                         Die erste Publikumsreihe während der Eröffnung (Quelle: Förderverein)


In medias res ging es dann mit dem bekannten Blumenthaler Heimatkundler Ulf Fiedler, der inhaltlich mit zwei Schwerpunkten in die Thematik einführte.  


Als informativen Hintergrund der anschließend vorgesehenen Lesung berichtete er über die Blumenthaler Schriftstellerin Tami Oelfken, die nur ein paar Jahre jünger als de BWK war und mit ihrer Familie direkt an der BWK gewohnt hat. 

So konnte sie in ihrem weitgehend autobiographischen Roman „Maddo Clüver“, der 1940 zunächst unter dem Titel "Tine" erschienen ist, detailliert die sozialen Umbrüche durch die Industrialisierung und das immense Wachstum der BWK schildern, "die wie eine Krake das alte Dorf zu verschlingen drohte" und die Weser mit Abwässern verunreinigte. 

Weil sie in ihrem Roman eine offene Sympathie mit den polnischen Arbeitskräften während er Aufbaujahre der BWK erkennen lässt, wurde der Roman der politisch links stehenden Autorin vermutlich verboten. Hier dürften mögliche Vergleiche mit der Situation der jungen polnischen Zwangsarbeiter in den Kriegsjahren der unmittelbare Anlass gewesen sein, da eine Gleichwertigkeit von Deutschen und Slawen der nationalsozialistischen Rassenideologie widersprach. 

Gleichzeitig mit dem Verbot des Romans „Maddo Clüver“ wurde  Tami Oelfken aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und mit einem lebenslangen Schreibverbot belegt. Hierin sah Ulf Fiedler einen Beleg für den Machtmissbrauch der NSDAP und damit eine sinnvolle thematische Ergänzung der aktuellen Fotoausstellung.

Seinen zweiten Themenschwerpunkt setzte der Heimatforscher bei den Ergebnissen der Betriebsratswahlen, die Einblick in die politische Orienierung und die Stimmung der BWK-Mitarbeiter geben können. Danach standen im März 1933, also bereits nach Hitlers "Machtergreifung", insgesamt fünf Listen zur Wahl. Deutliche Sieger waren die der SPD nahestehenden Freien Gewerkschaften, die 59 % der gültigen Stimmen erhielten. Auf die gemeinsame Liste von NSDAP und Stahlhelm entfielen hingegen nur 17 %. Die Stimmen für die Kommunisten, die in früheren Jahren bei knapp 40 % gelegen hatten, wurden hingegen im Zuge der Verfolgung linker Politiker nach dem Reichstagsbrand für ungültig erklärt. 

Bei der nächsten Wahl konnte die NSDAP dann 1935 nicht mehr verlieren, da es nur eine Einheitsliste gab. Allerdings fand auch sie noch keine große Zustimmung. Danach wurden die Vertrauensräte, die die früheren Betriebsräte ersetzen, nicht mehr von der Belegschaft gewählt, sondern vom Reichstreuhänder der Arbeit ernannt.

Insgesamt erfolgte in der BWK, einer ehemaligen Hochburg sozialdemokratischer und kommunistischer Arbeiter, die Gleichschaltung im Sinne der NS-Ideologie relativ schnell; denn ab November 1933 wurden Hitlerreden regelmäßig per Rundfunk in den Wolllagerschuppen 173 übertragen. Vom Betrieb wurden die Arbeitszeiten speziell auf diese indoktrinierenden "Pflichtveranstalungen" abgestimmt. Dieser rasche politische Wandel erklärt die vielen Bilder mit Nazisymbolen innerhalb der BWK, wie sie die Fotos der Ausstellung zeigten, so vor allem bei den Bildern vom 50. Gründungsjubiläum.


         Christian Weber, Detlef Gorn und Ulf Fiedler (Quelle: Förderverein)

Im Anschluss an diese historische Einführung folgte eine Lesung aus dem bereits angesprochenen Roman "Maddo Clüwer" durch Christine Bongarz, eine bekannte Bremer Vorleserin.



Zum Abschluss der Eröffnungstages wurde ab 15.30 Uhr ein BWK-Film aus dem Jahre 1937 vorgeführt. Damals hatte die Leitung der Bremer Woll-Kämmerei den Auftrag erteilt, der einen kompletten Arbeitstag in dem Unternehmen filmisch zu dokumentieren. So beginnt der Film von Johann Seubert mit dem eindrucksvollen Zug tausender Menschen durch die heutige Landrat-Christians-Straße zum Werktor und einem gellenden Pfiff, der den Arbeitsbeginn signalisiert.

Der Förderverein hat dieses historische Dokument bearbeitet, in dem beispielsweise historische Bilder mit Erklärungen eingefügt wurden, um die jeweilige Position zu zeigen, aus der Johann Seubert gedreht hat. Außerdem wurden Zeitzeugen-Aussagen zur damaligen BWK ergänzt.

Auf diese Weise ist ein in seiner Form wohl einzigartiger Film entstanden, der ein Stück Alltag von vor 77 Jahren vor Augen führt, als die BWK unter dem Hakenkreuz stand.

Kämmerei- und Textil-museen


Ein wichtiger Teil der Wirtschafts- und Industriegeschichte:


Museen über Kämmereien, Tuchfabriken und andere Textilunternehmen





Kämmereien historisch und museal



Im Zuge der Industrialisierung sind in verschiedenen Teilen Europas Kämmereien entstanden. Ihre Gründung erfolgte allerdings zeitversetzt, denn in der Regel haben sie sich aus der früheren handwerklichen Herstellung von Schafwolle entwickelt; es handelt es sich also nicht wie in Blumenthal um Neugründungen, die sich aus der Kalkulation von international orientierten Wollhändlern ergeben haben.


Die Wolle war neben dem Flachs die wichtigste Textilfaser, deren Verarbeitung bereits in vorindustrieller Zeit einigen Regionen Reichtum gebracht hat, von dem wir heute noch in prächtigen Rathäusern und Tuchhallen Zeugnisse finden. Das gilt für viele historische Städte Flanderns, in denen häufig englische Wolle zu besonders feinen Tuchen verarbeitet wurde und in den Tuchhallen oder 
Gewandhäusern gelagert und gehandelt wurde. Beispiele sind etwa
BrüggeGent und Ypern in Flandern oder Bautzen, Leipzig und Zwickau in Deutschland. Besonders prachtvolle Tuchhallen besitzt das polnische Krakau, denn sie werden als eines der bedeutendsten Beispiele der Renaissance-Architektur in Mitteleuropa angesehen.


                                      Tuchhallen in Krakau (Quelle: wikipeida)


Der Lister-Kammstuhl aus Bradford in Yorkshire


Wollexporteur war damals vor allem England, wo mit der Schafzucht in vielen Teilen eine extensive Landwirtschaft betrieben wurde, die zu einer ausgeprägten Landflucht und damit einem Reservoir an Industriearbeitern in den Städten führte. Eine handwerklicher Wollherstellung hatte sich vor allem im nordenglischen Yorkshire entwickelt, wo auch schon früh Wasserkraft eingesetzt wurde. So arbeiteten in Bradford, dem dortigen Zentrum der Wollproduktion, um 1849 von den ca. 130.000 Einwohnern etwa 15.000 in Heimarbeit als Wollkämmer. Das diese Tätigkeit als „heiß, schmutzig, anstrengend und ermüdend“ beschrieben wird, kann es nicht überraschen, wenn ein Umweltbericht aus dem Jahre 1837 Bradford als die „schmutzigste Stadt Englands“ bezeichnet.

Zu einem industriellen Aufschwung kam es mit dem Beginn der Kohleförderung und dem Einsatz von Dampfmaschinen. Für die Kämmereiindustrie war hier vor allem die Erfindung einer Kämmmaschine von Bedeutung, die nach ihrem Erfinder Samuel Cunliffe Lister (1815-1906) benannt ist. Lister, der seine erste Fabrik bereits 1838 gegründet hatte, konnte durch seine Erfindung aus dem Jahr 1851 die Arbeit des Wollkämmens „revolutionieren“ und damit eine Grundlage für seine „Mannigham Mills“ legen, die mit einer Nutzfläche von elf Hektar zu den beeindruckendsten Textilfabriken Europas zählt. Das an italienischen Vorbildern orientierte Gebäude wird von einem imposanten 78 Meter hohen Schornstein überragt.



                               Manningham Mills (Quelle: wikipedia)

Das heutige Bradford Industrial Museum zeigt auf einer Galerie eine Reihe von Krempel- (carding) und Kämmmaschinen (Combing), darunter die von Lister erfundene (Lister nip comb ). Einen Überblick über das Museum vermittelt ein Video.


                              Lister-Kämmmaschine (Quelle: wikipedia)


Die Wollindustrie im französischen Norden 


Ähnlich günstige Voraussetzungen für eine industrielle Wollverarbeitung gab es jenseits des Ärmelkanals in den nordfranzösischen Städten Fourmies,

Roubaix und Tourcoing, da es hier wie in Yorkshire eine traditionelle Wollverarbeitung und Kohlefunde gab, sodass sich Dampfmaschinen ohne Transportprobleme mit dem nötigen Brennstoff versorgen ließen.

Typisch für diese Region ist eine parallele Entwicklung von Baumwoll- und Wollspinnereien, wobei letzte auch auf eine örtliche Kammzugherstellung zurückgreifen konnten. Es handelte sich also um eine Textilregion im umfassenden Sinn des Wortes. So dürfte es nicht ganz unberechtigt sein, wenn sich Roubaix selbst als Welthauptstadt der Textilindustrie an der Schwelle zum 20. Jahrhundert sieht.


In der Wollgemeinde Fourmies wurde 1828 die erste Wollspinnerei, die eine Dampfmaschine einsetzte, gegründet, und bereits wenige Jahre später begann für diese rasch wachsende Stadt ihr „Goldenes Zeitalter der Wollindustrie“, das für die Zeit zwischen 1830 und 1890 terminiert wird.

Das bedeutendste Unternehmen in der Textilmetropole Roubaix war die Usine Motte-Bossut, das der Industriepionier Louis Motte-Bossut 1843 gründete. 1862 entstand hier eine große Baumwollspinnerei und 1889 ergänzte der Sohn den Textilkomplex seines verstorbenen Vaters noch um eine Tuchfabrik. 1903 wurde dann ein heute als „Architekturjuwel“ gelobtes Verwaltungsgebäude im neogotische Stil gebaut. Als Höhepunkt diese wirtschaftlichen Entwicklung gilt die Internationale Textilausstellung von 1911, die 1,7 Mio. Besucher sah und Roubaix zur „Hauptstadt der Wolle“ machte.




                                ANMT in Roubaix (Quelle: wikipedia)

Heute ist in diesem ehemaligen Textilkomplex ein Outlet-Center entstanden. Außerdem ist dort das Internationale Archivzentrum zur Welt der Arbeit (Archives nationales du monde du travail (ANMT)) in der baulichen Visitenkarte des historischen Unternehmens untergebracht.


Der Leviathan aus dem wallonischen Verviers 


Besondere natürlichen Voraussetzungen haben Verviers in der Nähe der wallonischen Hauptstadt Lüttich zu einem Zentrum der Wollwäsche und auch der weiteren Wollverarbeitung gemacht. Den Grundstein zu dieser Entwicklung legte der Engländer William Cockerill, der nicht nur einen nach ihm benannten
Stahl- und Maschinenbaukonzern aufbaute, sondern zuvor 1799 in Vervier die erste Woll-Spinmaschine auf dem europäischen Kontinent installierte. Die Ergebnisse dieser Investition müssen sehr überzeugend gewesen sein, denn ein halbes Jahrhundert später gab es in Verviers bereits 212 Dampfmaschinen, von denen 143 in der Wolltuchindustrie arbeiteten.


Ein wesentlicher Standortvorteil für die Verarbeitung von Wolle war das kalkarme Wasser der belgischen Weser, das sich besonders gut zur Reinigung eignete. Ursprünglich benutzte man einfach das Weserwasser, um die Wolle zu waschen. Als Anfang des 19. Jahrhundert die Wassermenge nicht mehr für den rasch wachsenden Bedarf ausreichte, beschloss die Stadt den Bau einer Talsperre in La Gileppe. Mit diesem besonders weichen Wasser konnte man mit den damaligen Seifen die Wolle wirksam entfetten und sehr gute Färbeergebnisse erzielen, was die Wollstoffe aus Verviers berühmt machte.

In dieser industriellen Tradition wurde 1866 die komplexe Wollwaschmaschine Leviathan erfunden, die Verviers einen hervorragenden Ruf als Stadt des Wassers und der Wollwäsche eintrug.




                                                   CTLM in Verviers (Quelle: Verviers)


Über die große Zeit der Wollindustrie informiert heute das 1999 eingeweihte “Centre Touristique de la Laine et de la Mode“ (CTLM), wo sich die Besucher zahlreiche Maschinen erleben können, durch die Rohwolle in Wollmode verwandeln. Dazu bietet das Museum zwei Rundgänge „Ablauf der Wollverarbeitung“ („Fil de laine“) und „Wollverarbeitung im Laufe der Zeit („Fil du temps“) an.

In dieser Stadt mit ihrem wollwäscheweichen Wasser, in der mit der Erfindung des Wollwaschmaschine Leviathan ein entscheidender Schritt zur industriellen Wollverarbeitung getan wurde, müssen sich die Touristen nicht unbedingt zu einem Museumsbesuch entschließen, um an die Entwicklungen der Industriegeschichte erinnert zu werden. Vielmehr stoßen sie auf Modelle wichtiger Maschinen bei jedem Gang durch diese „Wallonische Hauptstadt des Wassers“, in der man auch zahlreiche gründerzeitliche Gebäudeensembles findet.


Museale Geschichte der deutsche Wollindustrie: Die Wollroute




Verviers ist Teil einer Wollroute, die belgische und deutsche Zentren der Tuchindustrie in der europäischen Grenzregion Euregio Maas-Rhein verbindet. Sie selbst ist wiederum Teil eines geplanten europäischen Netzes von

Textilrouten.

Auf der deutschen Seite vermitteln vor allem die Museen in Monschau und Euskirchen einen Eindruck von der Zeit des Übergangs von der handwerklichen zur industriellen Wollbearbeitung. So erhält man im Roten Haus in Monschau, einem Patrizierhaus aus dem 18. Jahrhundert, einen Einblick in die vorindustrielle Tuchherstellung; denn im Keller dieses Hause wurde spanische Merinowolle mithilfe des kalkarmen Wassers gewaschen und gefärbt. Das Spinnen und Weben erfolgte dann innerhalb des vorindustriellen Verlagssystems durch Heimarbeiter. Auf diese Weise konnte der Besitzer des Roten Hauses stolz gegenüber seinen neidischen Nachbarn erklären, dass er „allein durch seine Fabrik 4.000 Menschen ernähre.“




                                 Tuchmacherbrunnen (Quelle: wikipedia)



Eine Tuchfabrik um 1900 kann man in der alten Tuchfabrik Müller in
Euskirchen nacherleben, darunter eine Krempelmaschine von 1913. Insgesamt können hier ein Krempelwolf, ein Krempelsatz, ein Selfaktor, vier Webstühle und die Dampfmaschine vorgeführt werden.


Tuchmacherstädte und –museen


Die Verarbeitung von Wolle war in vielen Teilen Deutschlands ein wichtiges Handwerk, durch das einige Händler, die im Rahmen eines Verlagssystems zahlreiche Heimarbeiter beschäftigten, zu Reichtum gelangten, den noch heute ansehnliche Bürgerhäuser bezeugen. Daher findet man in einer Reihe deutscher Städte, die sich nicht selten als Tuchmacherstädte bezeichnen, Museen, die sich mit der Verarbeitung der Rohwolle zu Tuch, also einem gewalkten Wollstoff, beschäftigen. Solche Tuchmachermuseen findet man in Bramsche bei Osnabrück, im sächsischen Crimmitschau und im brandenburgischen Forst. Neben Euskirchen und Monschau besitzt das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen noch zwei weitere Museen, die an die alten Tuchfabriken erinnern. Man findet sie in den Städten Radevormwald-Dahlerau und Remscheid-Lennep im Bergischen Land, wo die Wupper für genügend Wasser bei der Wollwäsche, dem Färben und nicht zuletzt als Antrieb für die ersten Maschinen sorgte. Beide Museen, die Exponate von jeweils einer alten Tuchfirma ausstellen, werden von gemeinnützigen Vereinen und ehrenamtlichen Mitarbeitern verwaltet. 


Industrielle Wollwäschereien und –kämmereien in Deutschland 


Nach dem Siegeszug der Baumwolle, deren Verarbeitung keine maschinell relativ komplizierten Wasch- und Kämmprozesse erforderte, konnte die Wolle diese Nachteile gegen Ende des 19. Jahrhunderts abbauen. Außerdem sanken die Kosten der Rohwolle durch das große Angebot vor allem aus Australien und Neuseeland, aber auch in geringem Maße aus Südafrika und Argentinien. Von besonderer Bedeutung war dabei Australien als Exporteur, denn nicht zu unrecht hieß es damals, Australien reite „auf dem Rücken der Schafe“, weil die Schafzucht und die Ausfuhr der Rohwolle fast zwei Jahrhunderte lang das Standbein der australischen Wirtschaft war erst Mitte des vorigen Jahrhunderts diesen Rang an die Minenindustrie abtreten musste.

Aufgrund dieser veränderten Bedingungen kam es auch in Deutschland zur Gründung von Wollwäschereien und –kämmereien, die hier allerdings nur in geringem Maße an die traditionelle handwerkliche Wollverarbeitung anknüpften. So haben von den neun in der folgenden Tabelle aufgeführten Unternehmen vier ihren Standort an der Küste, sie wollen also vor allem von den günstigen Transportkosten bei Wollimporten profitieren. 
Andere entstanden in Binnenland in der Nachbarschaft großer Spinnereien wie in Leipzig oder an Standorten, die im damaligen Eisenbahnzeitalter gute Verbindungen zu mehreren Spinnereien besaßen, wie das für Hannover-Döhren zutrifft. 



                                  Widder in Döhren (Geschenk der dt. Wollkämmer)




Wollwäschereien und –kämmereien

Ort
Gründungsjahr
Schließungsjahr
Anmerkungen
Bremen-Blumenthal
1883
2009

Bremen-Burglesum
1872
1927
Aufkauf und Stilllegung der Wollwäscherei durch die BWK
Delmenhorst
1884
1981

Hamburg-Wilhelmsburg
1889
1962
Gründung durch die Leipziger Wollkämmerei
Hannover-Döhren
1868
1973

Kaiserslautern
1857
1981

Leipzig
1872
2005
1993 Übernahme durch Chargeurs
Mylau
1882
1955 (?)
Übernahme durch VEB Wollkämmerei Leipzig
Zwickau-Schedewitz
1835
1990 (?)
seit 1970 VEB Kombinat Wolle und Seide


Die Geschichte der Kämmereien ist vor allem entsprechend ihrer Bedeutung sehr unterschiedlich dokumentiert. Relativ wenige Informationen gibt es über die beiden sächsischen Unternehmen in Mylau und Zwickau-Schedewitz, wo wie in Westeuropa die Nähe zur Kohleförderung für gute Startbedingungen einer industriellen Kämmerei sorgte. Kaum dokumentiert ist auch die Bremer Wollwäscherei, die allerdings nur kurze Zeit bestand, bevor sie von der BWK übernommen und als lästige Konkurrentin stillgelegt wurde.

Auch die Erinnerung an die Hamburger Wollkämmerei in Hamburg-Wilhelmsburg, an der die BWK eine Beteilung erworben hatte, wird nur noch von einer Geschichtswerkstatt bewahrt, während die Fabrik selbst nach den Zerstörungen durch die Sturmflut von 1962 wegen der veränderten Marktbedingungen ihren Betrieb nicht wieder aufnahm.

Entstanden war sie als Tochter der Leipziger Wollkämmerei, die selbst bereits 1872 gegründet wurde und fest in den damals führenden Textil- und auch Wollstandort eingebunden war; denn die Leipziger Kammgarnspinnerei entwickelte sich während der 1930-er Jahre durch die Expansion nach Osteuropa zur führenden deutschen Kammgarnspinnerei.

Auch während der DDR-Zeit galt die von einer AG in einen VEB umgewandelte Kämmerei als Musterbetrieb, der auch dank westlicher Maschinen auf einem aktuellen Technikstand gehalten wurde, da sie für den devisenträchtigen Textil- und Bekleidungsexport notwendig war. Dabei wurden vor allem auch Kammzüge aus einem Gemisch von Wolle und Chemiefasern hergestellt, was 1986 einen Betriebsbrand im Lager zu einer verheerenden Feuerkatastrophe machte, bei der Blausäure freigesetzt wurde. 
Nach der Wende übernahm 1993 der weltgrößte Kämmereikonzern Chargeurs den ehemaligen VEB, der im Juni 2005 die Produktion einstellte. 

Hier steht eine adäquate Nutzung des Betriebsareals noch aus. Auf diesem Gebiet können die Kämmereien in Hannover-Döhren und Kaiserslautern nach den Schließungen, die bereits 1973 bzw. 1981 erfolgten, Ergebnisse vorweisen. So realisierte man in Döhren vor allem eine neue Wohnbebauung, bei der nur noch der integrierte Uhrturm an die alte Kämmerei erinnert. 


Im Kaiserslautern, werden das Gelände und die Gebäude, die größtenteils erst nach 1948 entstanden sind, vor allem vom Fachbereich „Bauen und Gestalten der dortigen Fachhochschule mit Leben erfüllt. Daneben bietet hier das „Kulturzentrum Kammgarn“ ein vielfältiges Programm an und das ehemalige Wolllager wird inzwischen für Ateliers der Künstlerwerkgemeinschaft
Kaiserslautern e.V. genutzt. Auf einer Abbruchfläche im Westen des Areals ist für die Landesgartenschau 2000 ein Park entstanden, der nach Jean Schoen (1825-1887), dem ersten technischen Leiter der KGSK, benannt ist, während dessen Amtszeit der Kaiserslauterner Wollverarbeiter noch das europaweit größte Unternehmen seiner Art war. 

Anders als in Leipzig und Döhren, wo sich nur einige Exponate in den Stadtmuseen finden lassen, gibt es in Kaiserslautern eine private Initiative, die die Geschichte der Spinnerei, die ursprünglich eine Wäscherei, Kämmerei, Färberei und Wollfettfabrik einschloss, in einem speziellen Museum dokumentieren möchte. Da dessen Gründung bisher nicht absehbar ist, wurde der Fundus zunächst an das stadtgeschichtliche Theodor-Zink-Museum übergeben.


Das Nordwestdeutsche Museum für IndustrieKultur


Der Idealvorstellung eines Museums zur Unternehmensgeschichte und speziell der einer Wollkämmerei kommt das Nordwestdeutsche Museum für IndustrieKultur in Delmenhorst sehr nahe, in dem vor allem die Historie der Norddeutsche Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei, kurz Nordwolle genannt, sehr anschaulich präsentiert wird.



                                           Nordwolle (Quelle: wikipedia)


Unter ihrem Gründer Christian Lahusen (1820 - 1898) und dessen Sohn Carl (1858 -1921) und Enkel Georg Carl (1888-1973) baute die Familie die Wollkämmerei zu einem verschachtelten multinationalen Konzern aus, der nur eine geringe Eigenkapitaldecke besaß und offensichtlich eine kreative Buchführung betrieb. So stieg zwischen 1921 und 1928 die Zahl der Mitarbeiter von 12.500 auf 28.100 und im Jahr 1930 kontrollierte der Konzern ca. 25% der Welt-Rohwolleverarbeitung.

Um ihren Wohlstand zu genießen, lebte die Familie nicht nur in der "Villa Lahusen" innerhalb eines großen Parks nahe der Delmenhorster Firma, sondern ließ sich den Herrschaftssitz "Gut Hohehorst" mit 107 Zimmern und 12 Badezimmern sowie einen Park und Gutshof bauen, für deren Pflege und Bewirtschaftung knapp ­90 Parkarbeiter eingestellt waren.




                                        Gut Hohehorst (Quelle: wikipedia)


Dank geschönter Bilanzen und eines repräsentativen Auftretens des Vorstands erhielt das Unternehmen zunächst die nötigen Kredite, um die Verluste auszugleichen. 

Als sich die Bilanzlöcher jedoch nicht mehr stopfen ließen, musste die Nordwolle 1931 Konkurs anmelden. Das hatte wegen der Höhe der Kredite Auswirkungen auf die Hausbank, die Darmstädter und Nationalbank (Danat-Bank), die sich am 13. Juli 1931 für zahlungsunfähig erklären musste. Dieser Zusammenbruch der damals zweitgrößten deutschen Bank erschütterte das Vertrauen in das Bankensystem und führte zu einer großen Abhebe-Welle bei den Kontoeinlagen, sodass die Reichsregierung Bankfeiertage ausrufen musste, damit sich die Situation beruhigen ließ.

Als Nachfolgegesellschaft der Nordwolle entstand auf Beschluss der Gläubigerversammlung die Norddeutsche Woll- und Kammgarnindustrie AG (NW&K), die 1970 mit der Düsseldorfer Kammgarnspinnerei zur Vereinigten Kammgarnspinnerei AG (VKS) fusionierte. Im Zuge der Krise der europäischen Textilindustrie stellte diese Gesellschaft 1981 die Produktion in Delmenhorst ein.

Durch die Weltausstellung 2000 in Hannover eröffnete sich Jahre später eine besondere Chance für das Fabrikgelände und die leerstehenden Gebäude; denn damals gelang es Delmenhorst einer der Außenstandorte der EXPO 2000 zu werden. So beteiligte sich die Stadt mit dem Projekt "nordwolle delmenhorst" an dem dezentralen Programm "Stadt und Region als Exponat", das die Revitalisierung stillgelegte Industrieareale durch moderne Nutzungsformen zeigen sollte.

In diesem Rahmen wurden einige Gebäude für ihre heutige Nutzung als Teile des Nordwestdeutschen Museums für IndustrieKultur restauriert, das neben dem Fabrikmuseum auch in der früheren Lichtstation der Nordwolle ein Stadtmuseum umfasst.

Das Fabrikmuseum präsentiert im denkmalgeschützten Turbinenhaus, das wegen seines äußeren Eindrucks gern als „Kathedrale der Arbeit“ bezeichnet wird, den früheren Werkstattbereich und einem anliegenden Shed-Riegel die Geschichte der Nordwolle. Auf dem Rundweg durch die Ausstellung folgt auf zwei imposante Turbogeneratoren im Turbinenhaus eine Darstellung des

Produktionsablaufs (Sortierung, Wäscherei, Kämmerei, Färberei, Spinnerei, Facherei und Zwirnerei) und eine ausführliche Behandlung der Sozialeinrichtungen. Dabei wurde entsprechend den Vorstellungen des Unternehmensgründers auch eine „religiöse Fürsorge“ nicht vergessen, die Werte wie Pünktlichkeit, Anstand, Fleiß und Gehorsam gegenüber kirchlicher und weltlicher Obrigkeit vermitteln sollte.


Textilmuseen und –viertel



Da in vielen Städten Textilbetriebe während der Industrialisierung entstanden sind, findet man auch in einigen Kleinstädten außerhalb der Heimatmuseen spezielle Textilmuseen, wie etwa in Helmbrechts mit dem längsten Schal der Welt, an dem jeder Besucher weben darf, im sächsischen Oederan das web MUSEUM OEDERAN, wobei „web“ für „weben, erleben, begreifen“ steht, und das Wiesentäler Textilmuseum in Zell im Wiesental, durch das Geschichte an die Tradition des Spinnens, Webens und Bleiches im Raum zwischen Todtnau im Schwarzwald und Basel in der Erinnerung präsent bleiben soll.

Daneben hat die Textilindustrie auch in einigen größeren Städte eine prägende Bedeutung erreicht, sodass sich hier heute größere Textilmuseen befinden, deren Schwerpunkt zumeist bei der Baumwollverarbeitung liegt. Das gilt vor allem für Augsburg, Bocholt und Krefeld. So erinnert das Textilmuseum Bocholt an die Baumwollweberei im Westmünsterland und das Deutsche Textilmuseum Krefeld-Linn bietet, anders als es der Name erwarten lässt, ständig wechselnde Einblicke in eine Sammlung von über 30.000 Text- und Bekleidungsgegenständen aus allen Teilen der Welt von der Antike bis zur Gegenwart.

Einen ganz besonderen wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrund weist das

Staatliche Textil- und Industriemuseum, kurz tim genannt in Augsburg auf, da die Fuggerstadt im Zuge der Industrialisierung zu einem Zentrum der Textilindustrie wurde. Augsburger Kammgarnspinnerei (AKS), Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg (SWA), Neue Augsburger Kattunfabrik (NAK) und die Bleicherei, Färberei, Druckerei und Appreturanstalt Martini & Cie. findet man konzentriert in einem sogenannten Textilviertel. Hinzu kommen noch die Riedinger Jersey und die Dierig Holding, die ein Nachfolgeunternehmen der vor dem 1. Weltkrieg größten Baumwollspinnerei auf dem europäischen Kontinent ist.

Über diese umfangreiche textile Stadtgeschichte, aber auch die der Textilindustrie generell informiert das 2010 eröffnete Staatliche Textil- und Industriemuseum Augsburg, das Gebäuden der ehemaligen Augsburger Kammgarn-Spinnerei innerhalb des Textilviertel ein Domizil erhalten hat. Das tim, wie die einprägsame Abkürzung lautet, stellt sei
Konzept unter die vier M’s: Mensch, Maschine, Muster und Mode.

Daher veranschaulicht der Eingangsbereich die Veränderung des Lebens der Menschen im Industriezeitalter, wobei diese soziale Revolution sowohl Arbeiter als auch Unternehmer und alle anderen sozialen Schichten erfasst, wie an Augsburger Beispielen illustriert wird.

In den einstigen Shedhallen werden in einer kleinen Museumsfabrik historische Webstühle, aber auch HighTech-Textilmaschinen vorgeführt.

Das 3. M bezieht sich auf die in der Welt einmaligen Stoffmuster der NAK, die in 550 Musterbüchern mit mehr 1,3 Mio. Einzelideen gesammelt sind und im Museum über eine interaktive Projektionsfläche auf drei vier Meter hohe Figurinen projiziert werden.

Die Mode schließlich wird auf einem Laufsteg vorgeführt, wo Kleidungstücke vom Biedermeierkleid bis zum Hosenanzug einen Einblick in die Geschichte dieser attraktiven Verwendung von gekämmter, gesponnener, gewebter und genähter Wolle oder von konkurrierenden Fasern geben. 



Wollmuseen weltweit


Neben diesen Museen, die sich auf die Verarbeitung von Wolle und anderen Textilfasern konzentrieren, gibt es in Regionen mit einer ausgeprägten Schafzucht auch abweichende museale Akzentsetzungen. Man bezieht die Wollproduktion, also die Schafzucht mit der Schafschur als wichtigem Ereignis für den Wechsel des Fokus vom Schaf zur Wolle ein.


Wollmuseen dieses kombinierten Typs findet man in größeren Schafzuchtgebieten wie Australien, Neuseeland und Wales sowie kleineren, aber sehr bekannten Wollregionen wie Island und die Shetland Inseln.



Das National Wool Museum in Geelong





In Australien als wichtigstem Exportland für Wolle, das zudem noch eine Geschichte der Wollverarbeitung besitzt, die allerdings weniger erfolgreich war, dürfte vermutlich jeder eine museale Aufarbeitung dieses wichtigen Teils der australischen Wirtschaftsgeschichte erwarten.


Da sich die Schafzucht praktisch über das ganze Land verteilt und kein urbanes Zentrum besitzt, wählte man eine Stadt als Standort, die einerseits eine Tradition bei der Wollproduktion und -verarbeitung aufweist. Das war in Geelong der Fall. Mit dem Namen dieser Stadt ist die Geelong-Lammwolle eng verbunden. Diese Bezeichnung darf nur Wolle von Schafen tragen, die nicht älter als 7 Monate sind. Stammt die Wolle dabei aus der garantierten Erstschur von Lämmer aus der Geelong-Region spricht man sogar von "Super-Geelong".

Ein Griff in die Geelong-Lammwolle lässt den Unterschied fühlen, denn sie ist weicher als jede andere Lammwolle und gleichzeitig deutlich widerstandsfähiger als ein Kaschmirgarn der dortigen Ziegen. Dieser optimale Griff entwickelt sich allerdings erst nach den ersten 3-4 Wäschen.

Aufgrund eine Hafens und der Wollproduktion ganz in der Nähe wird bereit seit 1841 Wolle aus Geelong nach England exportiert. Bereits früh entstanden auch Wollfabriken in der Stadt, in denen die Rohwolle in kleineren Mengen weiterverarbeitet wurde. Sie mussten später ihren Betrieb einstellen, da sie gegen die geringeren Kosten der Ende des 19. Jahrhunderts entstehenden Großbetriebe in Europa nicht bestehen konnten.

Neben dieser renommierten Lammwolle aus der Umgebung wurde Geelong in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhundert in den Medien durch unerfreuliche Meldungen aus dem Bereich der Wollverarbeitung in Zusammenhang gebracht; denn ab 1974 mussten aufgrund der erneut veränderten Wettbewerbsbedingungen viele Wollverarbeiter in der Innenstadt ihre Tore schließen, sodass ihre Werksgebäude leer zurückblieben.



                       Aktie der Geelong RS & S Woolen & Worsted Co-operative Manufactoring Coy.



Andererseits setze Geelong dank seiner Strände damals auf den Tourismus, um die Verluste an industriellen Arbeitsplätzen zu kompensieren. Daher kam der Stadtverwaltung die Ergänzung der touristischen Angebote durch ein Wollmuseum sehr gelegen. 

Zudem war der Standort ja durchaus authentisch, wenn man an die exemplarisch wichtige Rolle denkt, die Geelong und seine Region bei der Schafzucht, dem Wollexport, der Tradition in der Geschichte der Wollverarbeitung und nicht zuletzt der misslungene erneute Einstieg in die Kämmereiindustrie spielen und gespielt haben.



Foyer des Wollmuseums (Quelle: "Best bits of Geelong . National Wool Museum and Gardens " von youtube)


Das 1988 gegründete Wollmuseum, das in einem historischen alten Wollspeicher aus dem Jahr 1887 untergebracht ist, erklärt die Bedeutung der Wolle für die Stadt und damit exemplarisch auch für ganz Australien.


Besondere Themenschwerpunkte sind dabei neben den Verbindungen der Wolle zur Schafzucht und zur Textilindustrie auch die eher unerwarteten zur Wissenschaft und Technologie, zur Kunst, zum Handwerk, zur Literatur und zur allgemeinen Geschichte. Besonders stolz sind die Museumsleitung und die Mitarbeiter auf zwei noch intakte Maschinen, eine Axminister Jacquard Teppichweb- und eine Sockenstrickmaschine.

Der Fundus stellt die Menschen in den Mittelpunkt, die seit den 1830-er Jahren in der Wollindusstrie gearbeitet haben. Dabei zwischen den Wollproduzenten, den industriellen Wollverarbeitern und den Konsumenten von Wollkleidung und anderen Wollprodukten unterschieden. Auch wenn dabei der Schwerpunkt der Sammlung auf Geelong und dem dem australischen Bundesstaat Victoria liegt, werden auch wichtige Themen aus der Wollgeschichte ganz Australiens museal behandelt. 

Das älteste Objekt der Sammlung, die insgesamt 7.000 Teile umfasst, stammt aus dem Jahr 1810 und schließt Textilien, schriftliche Dokumente, Fotos, große Teile von Maschinen und Bilder ein.

Wer das alles nicht real sehen kann, darf sich über zwei virtuelle Angebote des Wollmuseums auf der anderes Seite des Globus freuen; denn zum einen bietet es ein Video an, in dem sein Direktor eine Einführung in den Aufbau seines Museums und seiner Abteilungen gibt:



                                           National Wool Museum.mp4 (Quelle: youtube)


Zum anderen wurde das Konzept eines virtuellen Museums praktisch in die Tat umgesetzt; denn eine großer Teil des Fundus lässt sich mit jeweils einem Foto und einer Erläuterung über das Internet abrufen.

Dabei werden zwei Sammlungen unterschieden: die National Wool Museum Collection (NWM) und die Victorian Collections. Beide sind im Interneet unter der Adresse der Victorianischen Sammlungen abrufbar. Die NWS Sammlung umfasst dabei allein 7.500 Objekte, darunter 4.300 Fotos, die sogar ein Besucher häufig nicht in der realen Sammlung finden kann, da sie sich im Magazin befinden oder ausgeliehen sind.

Die victorianische Sammlung trägt diesen Namen, weil an ihr neben dem National Wool Museum noch weitere Museen aus dem Bundesstaat Victoria beteiligt sind.

Über das Internet können sich Interessierte sogar mit Auskunftspersonen für Einzelstücke in Verbindung se
tzen. Dazu steht ein Mailangebot unter "Contact
this collector" zur Verfügung.



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       Beispiel aus der virtuellen Sammlung 



Der Aufbau des Museums


Der Gang durch das Museum und damit de Wollgeschichte Geelongs beginnt im Foyer im Erdgeschoss, das eine Orientierungsfunktion besitzt. Dort wird der Besucher von freiwilligen Museumsmitarbeitern begrüßt und in die Geschichte des Hauses und die Ausstellungen eingeführt. So erhält er einen Überblick über die Gründung der Wollindustrie in Geelong, wobei besonders auf die Wollspeicher eingegangen wird. Das schließt das 1872 errichtete Gebäude ein, in dem sich der Museumsbesucher gerade befindet. Dieser Neubau galt in seiner Zeit als Meisterstück und Vorbild für den Bau weiterer Wollspeicher auch in anderen Teilen der Erde.


Zu festgesetzten Zeiten werden hier während der Schulferien auch Schafschuren als besondere Attraktionen vorgeführt. 



   "The Axminster Carpet Loom" (Quelle: wikipedia)


Im Mittelpunkt des Museums steht ein Axminster Jacquard Teppich Webstuhl aus dem Jahr 1919, der im Betrieb vorgeführt wird. Ausgebildete Weber stellen hier den museumseigene "Manor House Rug" her, den man im Museumsshop kaufen kann. Diese Vorführungen werden von den meisten Besuchern als Hauptattraktion des Museums bezeichnet.

Der Name Axminster-Teppich erinnert an einen in Axminster entwickelten Webstuhls fr für die Herstellung hochwertiger Teppiche, die erstmals 1755 in einer Teppichfabrik hergestellt wurden.Heute steht der Name für alle Teppiche mit einer samtigen Oberfläche. Die Teppiche wurden aus Wolle mit symmetrischem Knoten geknüpft, auf wollener Kette und mit Zwischenschuss aus Flachs oder Hanf. Die Musterung war ähnlich den Teppichen der Savonnerie oder floral. Diese Teppiche trafen den Geschmack des reichen Adels und waren bald überall in den Landhäusern zu sehen. Durch Polkratzen und Scheren wird eine gleichmäßige Oberfläche erzielt, wodurch Glanz, Griff und Optik der Ware verbessert werden. Die Fabrik schloss 1835 mit dem Aufkommen industrieller Webmaschinen. Erster später wurde ein Produktion industrieller Webstühle dieser Art begonnen.

Aber auch Besuchern, die sich weniger für Teppiche interessieren, hat der Webstuhl etwas zu bieten. An ihm lassen sich das von Joseph-Marie Jacquard erfundene Steuerungssystem beobachten, auf dem später die Lochkarten aufbauen, die als Medien für die Dateneingabe bei den frühen Computer eingesetzt wurden.




Steuerungslochstreifen des Webstuhls (Quelle: "National Wool Museum.mp4" bei youtube


Auf der Gallerie Eins stehen die Schafzucht und die Wollproduktion im Mittelpunkt. Diese Sammlung trägt daher den offiziellen Titel "The Wool Harvest".

Dabei kann man den Weg von den australischen Weiden, auf denen durch Wollproduzenten eine lebensfähige Wollindustrie mit der Schafschur, dem Klassifizieren der Wollqualität, dem Pressen der Rohwolle zu Ballen und zum Abtransport.

Ein nachgebautes Schurgebäude und eine Film über die Schafschur geben einen Einblick in die Schurindustrie.





Die Fortsetzung der Wollgeschichte ist auf der Galerie Zwei zu finden, wo es um die Weiterverarbeitung der Rohwolle bis hin zum fertigen Kleidungsstück geht. Der Titel lautet daher "From Fleece to Fabric". Dabei kann man sich u.a. die Sequenz der zahlreichen Maschinen anschauen, die in der Wollverarbeitung eingesetzt werden.






Ergänzt wird dieser museale Kernbereich durch temporäre Ausstellungen.

Von großer Bedeutung für das Lebens des Wollmuseums sind die über 80 freiwilligen Mitarbeiter, da sonst keine vertretbaren Eintrittspreise finanzierbar wären und der Staat in Australien nicht so häufig einspringt wie in Deutschland. Dank ihrer Mithilfe können die Besucher auf ausführliche Erklärungen der Exponate erwarten.
Das neuseeländische "Wool Shed Museum. National Museum of Sheep and Shearing"


                                      Homepage des Wool Shed Museums



Neben Australien besitzt auch der zweitgrößte Wollexporteuur der Welt einen Überblick über seine Geschichte von Schafen und Wolle. Das geschieht im Wool Shed Museum bzw. genauer dem "The Wool Shed Museum of Sheep & Shearing.  Neu Seelands Nationales Museum für Schafe und Schafschur, wie es von seiner Leitung eingeordnet wird, findet man in Masterton, einer Stadt mit viel Fläche, aber nur wenigen Einwohnern in der Region der neuseeländischen Hauptstadt Wellington. 

Dieses Museum ist stolz darauf, das es kein typisches Museum ist; denn die ausgestellten Objekte dürfen nicht nur angeschaut, sondern können auch angefasst und gefühlt werden. Wolle wird also wirklich sinnlich erlebbar.

Ähnlich wie das Nationale australische Wollmuseum steht die Bedeutung der Wolle für die neuseeländische Wirtschaft einen wichtigen Einstieg in die Sammlung des Museums dar. Dabei wird auch begründet, die Wollproduzenten für diesen diese ökonomische Rückgrat in Neuseelands Geschichte besaßen.

In einer Reihe von Schaukästen präsentieren das Museum Wolle in ihren vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten, so als Teppich, Bekleidung und modischen Strickwaren.

Attraktive Beispiele lassen sich gleich Museumsshop kaufen. Dort gibt es allerdings auch viele andere originelle Souvenirs, die einen Bezug zu Schafen und Wolle besitzen.



                          "Museum Holds The Key To History of Wool(Quelle: youtube)


Das National Wool Museum von Wales


Wales hat zwar nur rund drei Millionen Einwohner, aber zwei- oder sogar dreimal so viele Schafe. Spötter behaupten sogar, das Land werde nur von Schafen bewohnt.

Autotouristen glauben, dass dort "überall" auf riesigen Weiden Schafen als Nutztiere gibt, die durch besonder ausgebildete Hirtenhunde ausgebildet werden. Daraus haben die irischen Schafzüchter eine soziale Angelegenheit durch die Gründung von 
Sheep Dog Societies gemacht, in denen die Hirtenhunde trainiert werden.  

Aus diesen besonderen Fähigkeiten ihrer Tiere lassen sich sogar Attraktionen für Besucher machen, wenn sie zuschauen können, wie es beispielsweise einem einzigen Hund gelingt, mehrere Schafe nicht nur in die gewünschte Richtung zu treiben, sondern sie in kleine Gruppen zu teilen oder an einer bestimmten Stelle zu halten. Dabei wird der Hund nur durch wenige Pfiffe oder mündliche Befehlen des Farmers gelenkt.
  


                                Webseite des National Wool Museums


Das 1976 gegründete National Wool Museums befindet sich in einer resaurierten typischen historischen kleinen cambrianischen Wollfabrik in dem Dorf Dre-fach Felindre in Westwales.

Das Museum soll vor allem an walisische Wollindustrie erinnern, die einst der verbreitetste und wichtigsten Industriezweige in Wales war. Trotzdem soll sie nicht als tot erscheinen; denn zumindest das National Wool Museum sieht sich als arbeitendes Museum, in dem Maschinen und Handwerker täglich zum Einsatz kommen. So kann man verfolgen, wie aus Rohwolle durch Kämmen, Kardieren und Weben Stoffe entstehen.

In der Textilausstellung werden vorwiegend Decken und Kleidungsstücke, gezeigt, die aus der lokaler Wolle gefertigt wurden.

Ein Besuch des Museums, das nach größern Umbauten neu eröffnet wurde, lässt sich mit einem Gang durch den beschaulichen historischen Ort verbinden, in dem es weitere restaurierte historische Gebäude zu entdecken gilt, die inzwischen neu genutzt werden. Dabei muss sich der Tourist um sein leibliches Wohlbefinden keine Sorgen machen, da auch an Pubs und Restaurants für die Gäste gedacht wurde.


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"National Wool Museum" (Quelle: youtube)


The Sheep Farming Museum in Island





Schafe und Island sind zwei Bereiche, die über Jahrhunderte kaum u trennen waren Das gilt zumindet lange der Einwohner dieses Inselstaates im Nordatlantik, als es noch keinen Welthandel gab und man auch nicht versuchen konnte, durch Bankgeschäfte reich zu werden, wie das vor der Finanzkrise versucht wurde.Man brauchte damals seine Islandschafe, um durch den Winter zu kommen.

 
Die heutigen Islandschafe stammen von einer Rasse ab, die vor 1100-1200 Jahren von den Wikingern nach Island gebracht wurde. Dort haben sich dann ohne spezielle Züchtungsziele wie in anderen teilen de Welt und heue vor allem in Australien und Neuseeland selbst selektiert, wodurch eine eine robuste Rasse entstanden ist, die über tausend Jahre lang durch das raue Klima ausgelesen wurde. Über einen langen Zeitraum konnten sie in erheblichem Maß zur Ernährung der isländischen dortigen Bevölkerung beitragen, da die Schaf im Winter wegen der ungünstigen klimatischen und geografischen Lage der Insel die einzige Möglichkeit war, frische Nahrung zu bekommen. Heute gibt es noch etwa 500.000 Islandschafe.

Wegen dieser Ernährungsbedürfnisse dienen die anspruchslosen Schafe, die sich nur von Gras und Heu ernähren, fast ausschließlich der Fleischgewinnung. Dazu sind gerade die Islandschafe besonders geeignet, da die Lämmer im Alter von vier bis fünf Monaten geschlachtet werden könne, wenn sie etwa 32-41 kg auf die Waage bringen. Auch gilt das Fleisch ist sehr schmackhaft, sodass es Kenner als  Delikatesse beurteilen.

Die Wolle der Islandschafe weist zwei unterschiedliche Fassersorten auf: die Deckhaare, die Tog genannt werden, und die als Tel bezeichnete Unterwolle.
Das Tog besteht aus mitteldicken Haaren von ca. 27 Mikrometer Durchmesser und lässt sich zum Weben von haltbarer Kleidung verwenden. Die feineren Fasern des Thel sind nur etwa 20 Mikrometer dick und dienen für Kleidungsstücke, die direkt auf der Haut getragen werden sollen.

Zusätzlich wird als Kombination von Thel und Tog ein gedrehtes Garn hergestellt, dessen Name Lopi gesetzlich geschützt ist.

Die Milchgewinnung spielt hingen heute kaum noch eine Rolle. Daher werden die Schafe nur sehr selten gemolken. Das war früher anders, als die Milch direkt getrunken oder zu Butter, der quarkartige Skyr oder Joghurt verarbeitet wurde. Auch ist die fetthaltige Milch der Islandschafs im Prinzip gut zur Käseherstellung geeignet.
 

Das isländische Sheep Farming Museum (Sauðfjársafn)


Im früheren Gemeindezentrum von 
Sævangur kann man sich seit dem Frühjahr 2002 über "Die Schafe im der Geschichte Islands" informieren. Diese Möglichkeit bietet das Sheep Farming Museum, das etwas außerhalb des kleinen Ortes Strandabyggð in Richtung de Hauptstadt Reykjavík zu finden ist.

Neben den Angeboten, die man aufgrund des Namens erwarten kann, findet man zwei besondere Attraktionen. Das eine ist ein spezieller Raum für Kinder, die sich dort mit passendem Spielzeug und Büchern beschäftigen können, während die Erwachsenen die Ausstellung besuchen, wo man unter anderem in einem Wissenschaftsraum Textilfasern und andere Objekte unter Mikroskopen betrachten kann. Ein weiterer Zuschauermagnet auch für die kleinen Bescher sind Lämmer, die mit ein Flasche gesäugt werden dürfen.
  

                                  The Sheep Farming Museum in Iceland (Quelle: youtube)


Zwei weitere isländische Museen haben einen eher ergänzende Schwerpunkt, da sie sich nicht mit der Schafzucht und der Wollverarbeitung beschäftigen. Dabei handelt es sich um das 1976 von einem regionalen Frauenverband gegründete Textile Museum in Blonduos und das Islandic Textile Center.

 

Shetland Textile Museum 


 
       Der Böd (Quelle: Webseite des Museums)



Die Wolle von den Shetlands hat einen ganz besonderen Ruf, wie das nur wenige Regionen für sich in Anspruch nehmen können. Das fasste sehr überzeugend der schottische Ökonom und Statistiker John Sinclair zusammen, der allerdings nicht von den Inseln stammte. Seine Aussage aus dem Jahr 1790 ist daher nicht vor allem vom Lokalpatriotismus geprägt, nur waren damals die australischen Merinos noch keine Konkurrenten. Danach gilt für die Shetlandwolle:


“Wenn man all ihre Eigenschaften zusammennimmt, ist Shetland-Wolle wahrscheinlich das vollkommenste Produkt seiner Art im ganzen Universum. Sie hat den Schimmer und die Geschmeidigkeit von Seide, die Robustheit von Baumwolle, das Weiß von Leinen und die Wärme der Wolle.”



Das Shetlandschaf und seine Wolle


Das Shetland-Schaf gilt als eine primitive Rasse, weil seine Vorfahren aus der der Steinzeit stammen und seitdem nicht durch Züchtungen gezielt verändert wurde. So sind die Shetlandschafe nicht wie beispielsweise die Merinos mit ihren großen Fellfalten vergleichbar, die zwar für die Wollmenge sehr positiv, für die Gesundheit der Tiere jedoch eher negativ beurteilt werden müssen, wenn der Mensch nicht die negativen Folgen dieses Züchtungsergebnisses korrigiert.

So zeichnen sich recht kleinen, kurzschwänzigen, langsam wachsenden und langlebigen Tiere der Shetlands durch einen ausgeprägten Überlebensinstinkt aus. Auch sonst passen sie ideal zu ihrer kargen Umwelt, da sie sehr widerstandsfähig sind und sich mit dem kargen, nährstoffarmen natürlichen Futterangebot zufrieden geben. Damit ähneln sie in abgeschwächter Form den Islandschafen, wobei sich allerdings noch ein paar Breitengrade zwischen den Shetlands und dem noch weiter nördlichen Island befinden.

Eine Besonderheit der Shetlandschafe sind ihre deutlich unterschiedlichen Färbungen. Die Sprache kennt dafür über 30 verschiedene Benennungen wie etwa “katmoget” (dachsgesichtig) oder “yuglet” (hell, mit Pandaflecken im Gesicht). Diese Bezeichnungen sind weit über tausend Jahre alt und stammen aus der damals gesprochenen nordische Sprache. Daher sind sie heute in ähnlicher Form auch in Skandinavien und Island in Gebrauch.

Diese Rasse mit ihren Eigenschaften, die sich ideal durch eine weitgehend natürliche Selektion an das Klima und die Weideflächen auf den Shetlands angepasst hatte, war Anfang des 20. Jahrhunderts vom Aussterben bedroht, da viele Schaffarmer ihre Shetlands mit größeren, grobwolligeren Schafsrassen kreuzten. Dadurch erzielte man zwar höhere Fleischerträge, aber die Wollqualität sank so stark, dass niemand mehr die Wollprodukte kaufen wollte. So geriet die shetländische Wollindustrie an den Rand des völligen Ruins.

Um den vollständigen Niedergang der shetländischen Wollwirtschaft zu verhindern, gründete man eine Zucht-Gesellschaft, die sich die Rassenreinheit und einen hohe Wollqualitätsstandard zum Ziel setzte. 
Erst allmählich zeigten sich dadurch Erfolge, die allerdings weniger im quantitativen, sondern im qualitativen Bereich lagen. Dazu waren intensive Anstrengungen der Schafzüchter, die strikteste Kontrolle des Zuchtstandards und die penible Auswahl und Begutachtung jedes einzelnen Zuchtschafs notwendig.
Aktuell leben daher auf der Inselgruppe wieder mehr als 3.000 Schafe, deren Wolle aufgrund der erreichten stabilen Qualität "phänominal" nachgefragt wird. Worin bestehen jedoch die besonderen Eigenschaften der Shetlandwolle? Sie besitzt zunächst einmal gute Wärmeeigenschaften. Da die Fasern fein gekräuselt sind, fühlt sich das Kleidungsstück weich, elastisch ud flauschig an. Dadurch kratzen sie nicht, sondern lassen sich auch angenehm direkt auf der Haut tragen.
Due Erklärung für diese Eigenschaft, die nicht jeder von Wolle erwartet, ist ein besondere Verhalten der Shetlandschafe. Sie tendieren im Frühjahr dazu, ihre Winterwolle abzustreifen. Deshalb löst sie sich so leicht, dass man die Schafe “pflücken” kann, sie also nicht scheren muss. Dank dieses aufwendigen Verfahrens gewinnt man die allerfeinste Wollqualität, da die Faserenden keine scharfen Kanten und Brüche aufweisen, wie sie sonst durch die Schur verursacht werden.
Damit gibt es die besten Voraussetzungen für die bekannten Produkte aus Shetlandwolle. Berühmt sind die Shetland-Schals aus handgewebter Spitze, der gossamer lace, die so fein sind, dass man sie durch einen Ehering ziehen kann. Daneben sind auch die Shetlandpullover weltweit bekannt. 



                                                        "Shetland Fine Lace" (Quelle: wikipedia)


Dasselbe gilt für die aus groben Wollfäden gewebten Tweedartikel wie die berühmten Schottenröcken, die Kilts.
Bei den Shetlandschafen ist das Fell nicht nur für die Tiere strapazierfähig. Dasselbe gilt auch für die Wollprodukte. So sollen gute Stücke weitervererbt werden. Auch sollen über 40 Jahre alte getragene Pullover nur hin und wieder in Form gezogen werden müssen – vor allem nach dem vorsichtigen Waschen per Hand -, aber ansonsten ihren Besitzern noch gute Dienste leisten.
Die Muster der klassische Wollprodukte werden aus ungefärbter Wolle hergestellt. Das funktioniert, weil das Wollkleid der Shetland-Schafe eine ganze Palette von Farben aufweisen kann.
Trotzdem sorgt heute die nachträglich eingefärbte Wolle für den Hauptumsatz, da sie farbenfrohere und moderne Designs erlaubt. Das hat bereits Auswirkungen auf die Schafe auf den Weiden. Die meisten heute lebenden Schafe sind weiß.


Das shetländische Textilmuseum im Böd of Gremista


Um vor allem die alten handwerklichen Fertigkeiten des Spinnens, Strickens, Webens und Färbens zu erhalten, hat die Shetland Guild of Spinners, Weavers & Dyers, ein Heimatverein mit ca. 60 Mitgliedern, das Textile Working Museum im Jahre 1996 gegründet. Domizil wurde das Böd of Gremista, ein restauriertes Fischerhäuschen aus dem Jahre 1780, das sich in Lerwick, der mit ca. 7.000 Einwohnern größten Stadt der Inselgruppe befindet.
Seit 2010 wird ein Teil des Gebäudes, der nicht von einem älteren Heimatmuseum beansprucht wird, für die Sammlung des Shetland Textile Working Museum genutzt, die auf Textilien spezialisiert ist, die wie die Shetlandpullover seit dem 19 Jahrhundert den guten Ruf der Shetlands auf diesem Gebiet begründet haben.   

In der Ausstellung kommt dieser historische Aspekt nicht zu kurz, da gestrickte Textilien aus dem 19. Jahrhundert bis zur Jetztzeit präsentiert werden, wodurch die Beständigkeit der Shetlandwolle im Wandel der Mode deutlich wird. Hinzu kommen eine wachsende Bibliothek sowie Vorführungen der Wollhandwerke und Workshops.

Die Gilde veranstaltet zusätzlich jährlich Ausstellungen und Wettbewerbe, die in einer fast familiären Atmosphäre mit Tee und selbstgebackenen Keksen stattfinden. Ziel sind dabei der Erhalt und die Pflege der traditionellen Handwerke des Strickens, des Webens und des Teppichknüpfens. Dabei beginnt man bereits bei den Kindern. So werden etwa die Arbeiten von Grundschülern ausgestellt, die sich so bereits früh mit den Eigenschaften der Wolle ihrer Inseln auseinandersetzen.  

                                                                  "Shetland Textile Museum" (Quelle: youtube)


Dieses Museum zu den bekannten Strickwaren von den Shetlands ist von Mai bis September bei freiem Eintritt geöffnet.
  



Quellen: Die verlinkten Internetseiten.